Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
adoptiert hatte, sein Bruder; auf der anderen Seite mochte er Jondalar besonders gern und hatte Verständnis für seine Verzweiflung. Auch er brachte dem schönen neuen Mitglied des Löwen-Lagers starke, wenn auch nicht festgelegte Gefühle entgegen. Über die unerklärlichen körperlichen Empfindungen hinaus, die ihre Nähe in ihm auslöste, war sie für ihn so etwas wie ein verwandtes Wesen. Sie schien verwirrt und nicht recht zu wissen, wie sie mit der Situation fertigwerden sollte; genauso erging es ihm mit den neuen Veränderungen und Komplikationen in seinem Leben auch.
Jondalar holte tief Luft und richtete sich auf, dann betrat er den Bereich des Herdfeuers. Ayla folgte ihm mit den Augen, als er zu Mamut hinüberging und ihm etwas gab. Sie sah, wie sie ein paar Worte tauschten, dann ging Jondalar wieder, rasch und ohne ein Wort zu ihr zu sagen. Sie hatte den Faden der Unterhaltung um sie herum verloren, und als Jondalar fortging, eilte sie zu Mamut hinüber und hörte gar nicht die Frage, die Ranec ihr gestellt hatte – und sah auch nicht den flüchtigen Ausdruck der Enttäuschung auf seinem Gesicht. Um seinen Kummer zu überspielen, machte Ranec einen Witz, doch auch den hörte sie nicht. Nezzie jedoch, die sehr wohl wußte, wie feinfühlig er war, sah den Schmerz in seinen Augen, sah, wie er die Zähne zusammenbiß und entschlossen die Schultern straffte.
Gern hätte sie ihm einen Rat gegeben, ihn von der Erfahrung und der Weisheit ihrer Jahre profitieren lassen; trotzdem hielt sie den Mund. Sie müssen ihr Schicksal selbst gestalten, dachte sie.
Da die Mamutoi über längere Zeitabschnitte auf engem Raum zusammenlebten, hatten sie lernen müssen, einer den anderen zu tolerieren. Eigentlich gab es keine Privatsphäre in der Erdhütte – höchstens in den Gedanken eines jeden, und sich nicht in die geheimsten Gedanken der anderen einzudrängen war etwas, worauf sie alle größten Wert legten. Sie scheuten sich, persönliche Fragen zu stellen oder ungefragt Hilfsangebote zu machen und Ratschläge zu erteilen, oder sich in die Streitigkeiten anderer einzumischen – es sei denn, sie wurden ausdrücklich darum gebeten, oder die Streitigkeiten überstiegen jedes erträgliche Maß und wurden zu einem Problem für alle. Erkannten sie, daß eine schwierige Situation sich entwickelte, hielten sie sich still bereit und warteten geduldig und nachsichtig, bis ein Freund gebraucht wurde, um über Sorgen, Ängste und Frustrationen zu reden. Sie waren recht vorurteilsfrei und auch nicht besonders kritisch und kannten, was das persönliche Verhalten betraf, nur wenige Einschränkungen, sofern dieses andere nicht verletzte oder ernstlich störte. Ein Problem galt als gelöst, wenn ein Vorschlag funktionierte und alle Beteiligten zufriedenstellte. Sie gingen sehr sanft mit der Seele des anderen um.
»Mamut …«, sagte Ayla und merkte dann, daß sie nicht wußte, was sie sagen wollte. »Ah … ich glaube, es wird Zeit, die Medizin für deine Gelenkschmerzen zu machen.«
»Dagegen hätte ich nichts«, sagte der alte Mann lächelnd. »Einen so schmerzfreien Winter habe ich seit vielen Jahren nicht erlebt. Allein deshalb schon bin ich froh, daß du hier bist, Ayla. Laß mich nur eben dies Messer weglegen, das ich von Jondalar gewonnen habe; dann begebe ich mich gern in deine Hände.«
»Du hast von Jondalar ein Messer gewonnen?«
»Crozie und ich haben beim Knöchelwürfeln gewettet. Er sah zu und schien interessiert, und da habe ich ihn zu einem Spiel aufgefordert. Er sagte, er würde ja gerne, nur habe er nichts, es bei einer Wette einzusetzen. Ich sagte, solange er sein Handwerk ausübe, hätte er immer etwas; ich würde gern um ein besonderes Messer spielen, das ich auf ganz bestimmte Art gemacht haben würde. Er verlor. Er hätte es besser wissen und nicht gegen Einen spielen sollen, Der Der Mutter Dient.« Mamut kicherte. »Das hier ist das Messer.«
Ayla nickte. Seine Antwort befriedigte zwar ihre Neugier, doch worum es ihr wirklich ging, war, daß jemand ihr einmal erklärte, warum Jondalar nicht mit ihr reden wollte. Die Leute, die Ayla umstanden und die rotgefärbte Wisenthaut bewundert hatten, zerstreuten sich. Nur Rydag blieb bei Ayla und Mamut. Für Rydag hatte es etwas Tröstliches zuzusehen, wie sie den alten Schamanen behandelte. Er ließ sich am Rand der Bettplattform nieder.
»Als erstes werde ich dir einen heißen Breiumschlag machen«, sagte sie und mischte die Bestandteile in einer Holzschüssel an.
Mamut
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