Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
glatten Mammutbeinknochen – gespannt und die Innenseite saubergeschabt, um sämtliche noch daran haftenden Fetteilchen und Blutgefäße zu entfernen. Dann war die Außenseite drangekommen: Gegen den Strich hatte sie die äußere Hautschicht abgekratzt, zu der auch der Narben gehörte. Deegie hätte die Haut danach zusammengerollt und ein paar Tage lang in der Nähe des Feuers liegen und in das erste Stadium der Verwesung übergehen lassen, damit die Haare sich lockerten und hinterher leichter abgingen. Danach würde nur noch die Lederhaut und der Narben übrigbleiben. Um jedoch das weichere Wildleder herzustellen, wie Ayla es getan hatte, hätte sie es auf einen Rahmen gespannt, um das Haar samt dem Narben abzukratzen.
Beim nächsten Schritt in der Bearbeitung berücksichtigte Ayla einen Vorschlag, der von Deegie gekommen war. Nach dem Einweichen und Waschen hatte Ayla vorgehabt, Fett in die Hautdecke einzureihen, um sie, wie sie es immer getan hatte, geschmeidig zu machen. Deegie jedoch hatte Ayla gezeigt, wie man aus der halbverwesten Hirnmasse des Tieres einen dünnen Seim herstellte, in dem die Haut statt dessen eingeweicht wurde. Das Ergebnis hatte Ayla ebensosehr überrascht wie entzückt. Noch bei der Arbeit spürte sie geradezu, wie es sich unter ihrer Hand beim Einreiben der Hirnmasse veränderte und dehnbar und geschmeidig wurde. Doch erst nachdem die halbfertige Tierhaut hinterher gründlich ausgewrungen worden war, begann die eigentliche Arbeit. Es galt, sie während des Trockenprozesses ständig zu ziehen und zu dehnen und ihr keine Ruhe zu geben; die Qualität des fertigen Leders hing davon ab, wie gut die Haut in diesem Stadium bearbeitet wurde.
»Du hast eine gute Hand fürs Leder, Ayla. Wisentdecken sind hart und schwer, und diese ist so weich. Sie fühlt sich wunderbar an. Weißt du schon, was daraus werden soll?«
»Nein.« Ayla schüttelte den Kopf. »Aber ich möchte das Leder rot färben. Was meinst du, wäre das was für Füßlinge?«
»Dafür ist es schwer genug, aber es ist so weich, daß man auch einen Überwurf draus machen könnte. Färbe es nur. Was du dann draus machst, kannst du dir ja hinterher immer noch überlegen«, sagte Deegie, doch als sie gemeinsam auf das letzte Herdfeuer zugingen, fragte sie noch: »Was würdest du denn jetzt aus dem Fell machen? Wenn du es nicht färben wolltest?«
»Ich würde es über ein sehr rauchiges Feuer hängen, damit das Leder, wenn es vom Regen oder beim Schwimmen wieder naß wird, nicht wieder hart und steif wird.«
Deegie nickte. »Das würde ich auch machen. Aber was wir mit dem Leder vorhaben, läßt alles Wasser abperlen.«
Beim Hindurchgehen durch das Herdfeuer des Kranichs begegneten sie Crozie, was Ayla an etwas erinnerte, was sie schon längst hatte fragen wollen. »Deegie, weißt du eigentlich auch, wie man Leder weiß färbt? Wie das Gewand, das Crozie anhat? Ich mag Rot, aber hinterher möchte ich auch lernen, weißes Leder zu machen. Ich glaube, ich kenne jemand, der Weiß sehr gern hätte.«
»Leder weiß zu färben ist auch schwer – jedenfalls, wenn man wirklich schneeweißes Leder haben will. Crozie könnte es dir besser zeigen als ich. Du würdest Kreide brauchen … möglich, daß Wymez welche hat. Feuerstein ist häufig in Kreide eingebettet, und die Stücke, die er aus der Fundstätte weiter im Norden bekommt, weisen im allgemeinen außen eine Kreideschicht auf«, sagte Deegie.
Die jungen Frauen kehrten mit ein paar kleinen Mörsern und Stößeln sowie etlichen Klumpen Ocker in verschiedenen Schattierungen zurück zum Herdfeuer des Mammut. Deegie setzte ein wenig Fett aufs Feuer, um es zu zerlassen; dann breitete sie die Brocken Farbstoff um Ayla herum aus. Da waren neben dem Ocker in allen Schattierungen kleine Stücke Holzkohle für Schwarz, Mangan für Blauschwarz und ein leuchtendes Schwefelgelb. Mörser waren verschiedene von Natur aus schalenförmige Knochen wie etwa das Stirnbein des Hirsches; oder sie waren aus Granit und Basalt herausgearbeitet, genauso wie die Lampen. Die Stößel waren aus hartem Elfenbein oder Knochen geschnitzt; nur ein einziger war ein länglicher natürlicher Stein.
»Welches Rot möchtest du Ayla? Dunkelrot, Blutrot, Erdrot, Gelbrot – das wäre etwa die Farbe der Sonne.«
Ayla hatte nicht geahnt, daß ihr so viele verschiedene Möglichkeiten offenstanden. »Ich weiß nicht, rot, rot …«, sagte sie.
Deegie besah sich die Farben. »Ich meine, wir sollten dies hier nehmen«, sagte sie und
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