Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
fort, »obwohl mich keiner gefragt hat, ob ich die Erdhütte mit diesem Tier teilen wollte. Ich wüßte nicht, wieso ich dazu käme, mit Tieren unter einem Dach zu leben, bloß weil es irgend jemand einfällt, sie hierherzubringen. Ich bin kein Tier, bin auch nicht mit Tieren aufgewachsen, aber hier gelten Tiere mehr als Menschen. Das gesamte Lager ist zwar dabei, wenn es gilt, für Pferde einen Extraraum zu bauen; wir hingegen müssen uns mit den beengten Verhältnissen des kleinsten Herdfeuers abfinden.«
Diese Behauptung hatte einen allgemeinen Aufruhr zur Folge, und alle redeten laut durcheinander; jeder war bemüht, sich Gehör zu schaffen.
»Was soll das heißen, ›das kleinste Herdfeuer‹?« versetzte Tornec erbost. »Wir haben nicht mehr Platz als ihr, vielleicht sogar weniger, wie viele andere auch.«
»Das stimmt«, sagte Tronie. Manuv ließ durch nachdrückliches Nicken erkennen, daß er ihr beipflichtete.
»Viel Platz hat niemand«, sagte Ranec.
»Er hat recht«, stimmte Tronie nochmals zu, diesmal jedoch mit größerem Nachdruck. »Ich glaube, sogar das Herdfeuer des Löwen ist kleiner als eures, Frebec, und dort leben mehr Menschen als bei euch, und älter sind sie auch noch. Bei denen ist es wirklich beengt. Vielleicht sollten sie etwas Raum vom Kochbereich abbekommen. Wenn ein Herdfeuer es verdient hätte, dann das des Löwen.«
»Aber das Herdfeuer des Löwen bittet nicht um mehr Platz«, versuchte Nezzie zu vermitteln.
Ayla sah von einem zum anderen, sie konnte einfach nicht begreifen, wieso plötzlich das gesamte Lager lautstark an diesem Streit teilnahm; dabei hatte sie das Gefühl, irgendwie sei alles ihre Schuld.
Plötzlich übertönte ein lautes Geschrei den allgemeinen Lärm, und alle verstummten. Talut hatte mit gebieterischer Selbstsicherheit mitten im Herdfeuer Aufstellung genommen. Die Beine hatte er gespreizt, und in der Rechten hielt er den geheimnisvoll verzierten, langen und geraden Elfenbeinstab. Tulie trat zu ihm und unterstützte ihn mit ihrer Autorität. Ayla fühlte sich von dem mächtigen Paar regelrecht eingeschüchtert.
»Ich habe den Sprecherstab geholt«, sagte Talut, hielt den Stab in die Höhe und schüttelte ihn, um dem Gesagten Nachdruck zu verleihen.
»Wir werden das Problem friedlich besprechen und eine Lösung suchen, die alle befriedigt.«
»Im Namen Der Mutter: Niemand entehre den Sprecherstab«, fügte Tulie hinzu. »Wer will als erster sprechen?«
»Ich meine, als erster sollte Frebec sprechen«, sagte Ranec. »Er ist es, der das Problem hat.«
Ayla hatte sich an den Rand zurückgezogen und war bemüht, von diesen lärmenden, durcheinanderschreienden Menschen fortzukommen. Sie merkte, daß Frebec alles andere als wohl in seiner Haut war; die ganze unfreundliche Aufmerksamkeit, die sich auf ihn richtete, machte ihn nervös. Ranecs wenige Worte hatten deutlich gemacht, daß der ganze Aufruhr der Meinung aller anderen nach seine Schuld war. Ayla, die etwas verdeckt hinter Danug stand, betrachtete Frebec vielleicht zum erstenmal eingehender.
Er war von durchschnittlicher Größe, eher sogar ein wenig darunter. Jetzt, wo sie zum ersten Mal bewußter hinsah, meinte sie, selber sogar etwas größer zu sein als er, doch war sie auch etwas größer als Barzec und ungefähr genauso groß wie Wymez. Sie war so sehr daran gewöhnt, alle anderen immer zu überragen, daß sie nicht weiter darauf geachtet hatte. Frebec hatte hellbraunes Haar, das sich etwas lichtete, Augen von einem mittleren Blau und klare, ebenmäßige Züge ohne irgendwelche Entstellungen. Er war ein ganz gewöhnlich aussehender Mann, und sie konnte nichts entdecken, was verraten hätte, warum er stets ein so streitsüchtiges, verletzendes Verhalten an den Tag legte. Es hatte Zeiten gegeben, da sie nichts sehnlicher gewünscht hatte, als genauso wie der Rest des Clan auszusehen – so wie Frebec sich durch nichts von den Angehörigen des Löwen-Lagers unterschied.
Als Frebec vortrat und den Sprecherstab von Talut in Empfang nahm, bemerkte Ayla aus den Augenwinkeln heraus, daß Crozie hämisch den Mund verzog. Zweifellos war die alte Frau zumindest zum Teil für Frebecs Verhalten verantwortlich, doch war das alles? Die Ursachen mußten tiefer liegen. Ayla suchte nach Fralie, entdeckte sie jedoch nicht unter den am Herdfeuer des Mammut Versammelten. Schließlich sah sie, daß die Schwangere am äußersten Rand vom Herdfeuer des Kranichs stand und von dort aus alles verfolgte.
Frebec räusperte sich ein
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