Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
geschätzt wurde. Zwar hätte sie sich über jede von ihm geschnitzte Muta gefreut, doch machte es sie jetzt besonders glücklich, daß er sich entschlossen hatte, ihr eine zu geben, die so war wie die von Ayla. Und Ayla wiederum würde er nur etwas schenken, was er selbst für seine beste Arbeit hielt.
Die Namensgebungs-Zeremonie für Fralies Baby hatte bereits begonnen, und so wandten die drei Frauen nun ihr ihre Aufmerksamkeit zu. Ayla erkannte die mit Einkerbungen versehene Elfenbeintafel, die Talut in die Höhe hob, und war einen Moment betroffen, weil sie an ihre Adoption denken mußte. Doch offenbar handelte es sich um eine ganz gewöhnliche Zeremonie. Mamut mußte wissen, was er tat. Während sie verfolgte, wie Fralie ihr kleines Kind dem Schamanen und dem Anführer des Löwen-Lagers präsentierte, mußte Ayla unwillkürlich an eine andere NamensgebungsZeremonie denken, bei der freilich sie die Mutter gewesen war, bei der sie ihr Baby voller Angst präsentiert hatte und auf das Schlimmste gefaßt gewesen war.
Sie hörte Mamut sagen: »Welchen Namen hast du für das Kind ausgewählt?« Woraufhin Fralie erwiderte: »Es soll Bectie heißen.« Doch im Geiste hörte Ayla Creb sagen: »Durc. Der Name des Jungen lautet Durc.«
Tränen traten ihr in die Augen, und wieder spürte sie die Dankbarkeit und die Erleichterung, die sie erfüllt hatten, als Brun ihren Sohn akzeptiert und Creb ihm einen Namen gegeben hatte. Sie sah auf und bemerkte Rydag, der – Wolf auf dem Schoß – inmitten einer Schar von Kindern saß und sie mit den gleichen großen, braunen, uralten Augen anblickte, die sie so sehr an Durc erinnerten. Plötzlich sehnte sie sich danach, ihren Sohn wiederzusehen, doch dann kam ihr unvermittelt eine Erkenntnis. Durc war von gemischten Geistern, genauso wie Rydag; nur daß Durc dem Clan geboren und vom Clan akzeptiert worden, seinen Namen erhalten hatte und von ihm großgezogen worden war. Ihr Sohn gehörte zum Clan, und sie war für den Clan eine Tote. Ein Schauder durchlief sie, und sie versuchte die Gedanken abzuschütteln.
Daß ein Kleinkind erschrocken schrie, holte Ayla zurück in die Gegenwart und zu der Zeremonie. Der Arm des Babys war mit einem scharfen Messer geritzt und ein Zeichen auf die Elfenbeintafel eingegraben worden. Bectie hatte einen Namen bekommen und war der Zahl der Mamutoi zugeordnet worden. Mamut träufelte eine brennende Lösung auf die kleine Wunde, woraufhin das winzige Geschöpf, das noch nie Schmerz kennengelernt hatte, sein Mißvergnügen womöglich noch lauter herausschrie; doch das hartnäckige Schreien des kleinen Kindes zauberte ein Lächeln auf Aylas Gesicht. Obwohl zu früh auf die Welt gekommen, war Bectie kräftig geworden. Sie war jetzt so gesund, daß sie sogar schreien konnte. Fralie hielt Bectie in die Höhe, damit alle sie sehen sollten, dann drückte sie das immer noch winzige Wesen an sich und sang mit heller, süßer Stimme ein tröstliches und doch fröhliches Lied, das das Kind bald beruhigte. Dies getan, kehrte Fralie an ihren Platz neben Frebec und Crozie zurück. Binnen weniger Augenblicke fing Bectie wieder an zu schreien, doch hörte das Geschrei so unvermittelt auf, daß jedermann wußte: Ihm war der bestdenkbare Trost zuteil geworden.
Deegie stieß sie an, und Ayla erkannte, daß der Zeitpunkt gekommen war. Jetzt war sie an der Reihe. Sie wurde herangewunken. Einen Moment war sie außerstande, sich zu bewegen. Dann wollte sie davonlaufen – doch wohin? Sie wollte Ranec gegenüber dies Gelöbnis nicht ablegen, sie wollte Jondalar, wollte ihn bitten, nicht ohne sie fortzugehen, doch als sie aufblickte und Ranecs eifriges und glücklich lächelndes Gesicht sah, holte sie tief Luft und stand auf. Jondalar wollte sie nicht, und sie hatte Ranec versprochen, sich ihm zu verloben. Zögernd trat Ayla auf die beiden Anführer des Lagers zu.
Der dunkelhäutige Mann sah sie auf sich zukommen, sah sie aus den Schatten in das Licht des Hauptfeuers hineintreten, und ihm schnürte sich der Hals zu. Sie trug das helle Lederkleid, das Deegie ihr geschenkt hatte, dasjenige, das ihr so besonders gut stand; nur das Haar hatte sie weder geflochten noch zu einem Knoten geschlungen oder zu einer der alles andere als einfachen Frisuren zurechtgekämmt, zu denen auch Perlen oder Schmuckstücke gehörten, wie die Mamutoi-Frauen sie im allgemeinen trugen. Aus Hochachtung vor der WurzelZeremonie des Clan trug sie das Haar offen; im Licht des Feuers schimmernd, fiel es ihr auf
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