Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
Hinsicht hatte Ayla recht. Jondalar suchte so überstürzt das Weite, aber nicht, weil er gerade in diesem Augenblick nicht in ihrer Nähe sein wollte – sondern weil er immer mit ihr zusammensein wollte. Er konnte seine eigenen Reaktionen auf Aylas Nähe nicht ertragen. Sie war jetzt Ranec anverlobt; damit hatte er jedes Anrecht auf sie verloren. In letzter Zeit war er ausgeritten, wenn er irgendeiner schwierigen Situation oder seinen eigenen widerstreitenden Gefühlen entgehen oder auch nur allein sein wollte, um nachzudenken. Er begriff nachgerade, warum Ayla so oft auf Winnie fortgeritten war, wenn irgend etwas sie bekümmert oder ihr Schwierigkeiten bereitet hatte. Rittlings auf dem Hengst sitzend, über das offene Grasland dahinzufliegen und sich den Wind um die Ohren wehen zu lassen übte sowohl eine erhebende als auch beruhigende Wirkung auf ihn aus.
Oben auf der Steppe angekommen, signalisierte er Renner, in Galopp zu verfallen, und lehnte sich dichter über den kräftigen, vorgestreckten Hals des Pferdes herab. Es war erstaunlich leicht gewesen, das Pferd daran zu gewöhnen, einen Reiter auf dem Rücken zu tragen; allerdings, in vieler Hinsicht hatten Ayla und Jondalar ihn ja schon seit langer Zeit an Lasten gewöhnt. Viel schwieriger jedenfalls war es zu entscheiden, wie er Renner lenken sollte.
Jondalar war sich darüber im klaren, daß die Art, wie Ayla Winnie beherrschte, sich auf ganz natürliche Weise ergeben hatte, so daß ihre Richtungsanweisungen weitgehend unbewußt übermittelt wurden; er hingegen war bemüht, das Pferd regelrecht auszubilden. Seine Richtungsanweisungen waren weit zielgerichteter als die Aylas, und während er das Pferd ausbildete, lernte er selbst auch eine Menge. Er lernte, richtig auf dem Pferd zu sitzen, sich im Einklang mit den kräftigen Muskeln des Hengstes zu bewegen und nicht nur auf seinem Rücken herumzuhopsen; außerdem entdeckte er, wie empfindsam das Tier auf Schenkeldruck und Gewichtsverlagerung reagierte, was wiederum die Lenkung wesentlich erleichterte.
Während er an Zuversicht gewann und auch bequemer saß, ritt er mehr aus, und das war genau die Art von Übung, die es für die Ausbildung des Pferdes brauchte. Und je mehr er sich mit Renner abgab, desto mehr wuchs dieser ihm auch ans Herz. Gern gemocht hatte er ihn von Anfang an, aber er war ja immer noch Aylas Pferd. Immer wieder sagte er sich, daß er Renner für sie ausbildete, doch die Vorstellung, den jungen Hengst einmal zurückzulassen, war ihm unerträglich.
Jondalar hatte vorgehabt, gleich nach dem Frühlings-Fest abzureisen; jetzt war er immer noch hier, und er war sich nicht sicher, warum. Es gab eine ganze Reihe von Gründen, die er für sich anführte – es sei noch zu früh im Jahr, die Jahreszeit unberechenbar, er habe Ayla versprochen, Renner auszubilden – , aber im Grunde seines Herzens wußte er, daß dies alles nur Vorwände waren. Talut dachte, er bleibe, weil er zum SommerTreffen mit ihnen ziehen würde, und Jondalar unterließ es, ihn darin eines Besseren zu belehren, sagte sich selbst jedoch immer wieder, er werde längst fort sein, ehe sie loszögen. Jeden Abend, wenn er sich schlafen legte, und besonders dann, wenn Ayla das Herdfeuer des Fuchses aufsuchte, sagte er sich, gleich morgen brichst du auf, und dann verschob er es am nächsten Tag doch wieder. Er kämpfte mit sich selbst, doch jedesmal wenn er ernsthaft daran dachte, seine Sachen zu packen und fortzuziehen, fiel ihm ein, wie sie kalt und regungslos auf dem Boden vom Herdfeuer des Mammut gelegen hatte, und dann brachte er es nicht fertig loszuziehen.
Am Tag nach dem Fest hatte Mamut mit ihm gesprochen und ihm gesagt, die Wurzel sei zu mächtig gewesen, er habe sie nicht kontrollieren können. Sie sei zu gefährlich, sagte der Schamane, und deshalb werde er selbst sie nie wieder nehmen. Er habe auch Ayla geraten, sie nicht wieder zu gebrauchen, und sie gewarnt, daß sie starken Schutzes bedürfe, falls sie es doch wieder versuchen sollte. Ohne es rundheraus zu sagen, deutete der alte Mann Jondalar gegenüber irgendwie an, er – Jondalar – sei es, der nach ihr gegriffen und sie zurückgeholt habe.
Was der Schamane da gesagt hatte, beunruhigte Jondalar zutiefst, gewährte ihm aber auch einen sonderbaren Trost. Wenn der Mann vom Herdfeuer des Mammut um Aylas Sicherheit gefürchtet hatte, warum hatte er dann ausgerechnet ihn gebeten zu bleiben? Und warum hatte Mamut gesagt, er sei es, der sie letztlich zurückgeholt hätte?
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