Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
gefiel es ihr. So legte sie sie zusammen und tat sie zu den wenigen Dingen, die sie außer dem, was sie unbedingt brauchte, mitnehmen wollte: das geschnitzte Pferd, das sie so liebte und das Ranec ihr zu ihrer Adoption geschenkt hatte, außerdem die neue Muta; die wunderschön gearbeitete Feuersteinspitze von Wymez; etwas Schmuck, Perlen und Halsketten; den Anzug von Deegie, den weißen Kittel, den sie selbstgemacht hatte, und Durcs Umhang.
Während sie noch andere Dinge durchsah, schweifte sie in Gedanken ab und beschäftigte sich wieder mit Rydag. Ob er wohl jemals wirklich eine Gefährtin haben würde wie Durc? Sie glaubte nicht, daß es beim Sommer-Treffen Mädchen wie ihn geben würde. Ayla war sich ja nicht einmal sicher, ob er überhaupt erwachsen werden würde. Wie dankbar sie jetzt war, daß ihr eigener Sohn so gesund und kräftig war und eine Gefährtin bekommen sollte. Brouds Clan würde sicherlich bald zum Clan-Treffen aufbrechen, falls sie nicht schon losgezogen waren. Ura erwartete vermutlich, mit ihnen zurückzukehren und schließlich Durcs Gefährtin zu werden – und hatte vermutlich Angst, ihren eigenen Clan zu verlassen. Arme Ura! Wie schwer es ihr fallen würde, die Leute zu verlassen, die sie kannte, und an fremdem Ort bei einem fremden Clan zu leben. Ein Gedanke, auf den sie bisher noch nie gekommen war, ging Ayla durch den Sinn. Ob sie Durc wohl leiden mochte? Hoffentlich, dachte sie, denn eine andere Wahl hatten die beiden wohl kaum.
Bei dem Gedanken an ihren Sohn griff Ayla nach dem Beutel, den sie vom Tal der Pferde mit hierhergebracht hatte, nestelte ihn auf und schüttete den Inhalt heraus. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, als sie die Elfenbeinschnitzerei sah. Sie nahm sie auf. Es war eine Frauengestalt, aber anders als die anderen geschnitzten weiblichen Figürchen, die sie jemals gesehen hatte; jetzt ging ihr auf, wie ungewöhnlich sie war. Bei den meisten Muta mit Ausnahme von Ranecs symbolischen Vogel-Frauen handelte es sich um üppig gerundete Mutterfiguren, bei denen nur ein Knauf den Kopf andeutete – ein Knauf, der manchmal freilich irgendwelche Ornamente aufwies. Alle sollten sie Die Mutter symbolisieren, doch bei dem, was sie da in der Hand hielt, handelte es sich um eine schlanke Gestalt, deren Haar zu vielen kleinen Zöpfen geflochten war, so wie sie die ihren einst getragen hatte. Am verwunderlichsten jedoch war das sorgfältig herausgearbeitete Gesicht mit feiner Nase und schönem Kinn sowie der Andeutung von Augen.
Sie hielt die Schnitzerei in der Hand, und als die Erinnerungen zurückkamen, verschwamm es vor ihren Augen. Ohne es zu wissen, rannen ihr die Tränen übers Gesicht. Jondalar hatte es geschnitzt, in ihrem Tal, und als er fertig war, hatte er ihr erklärt, ihm gehe es darum, ihren Geist einzufangen, damit sie nie getrennt würden. Aus diesem Grunde hatte er das Figürchen ihr ähnlich gemacht, obwohl eigentlich niemand die Ähnlichkeit von einer lebenden Person gestalten sollte, weil man Angst hatte, ihren Geist dann einzufangen. Er hatte gesagt, er wolle, daß das Bildnis ihr gehöre, damit niemand es jemals hinterhältig gegen sie verwenden könne. Es war, wie ihr jetzt aufging, ihre erste Muta gewesen. Jondalar hatte sie ihr nach den Ersten Riten geschenkt, also nachdem er sie zu einer richtigen Frau gemacht hatte.
Nie würde sie den Sommer in ihrem Tal vergessen, wo sie ganz allein gewesen waren, nur sie beide. Und jetzt wollte Jondalar ohne sie fort. Sie drückte das Elfenbeinfigürchen an die Brust und wünschte, sie würde mit ihm ziehen. Wolf winselte voller Mitgefühl und kam kaum merklich auf sie zugekrochen, denn er wußte, daß er eigentlich bleiben sollte, wo er war. Sie langte hinüber, packte ihn und barg das Gesicht in seinem Fell, während er versuchte, ihr die salzigen Tränen abzulecken.
Sie hörte jemand den Mittelgang herunterkommen, setzte sich rasch auf, trocknete sich das Gesicht und rang um Fassung. Als Barzec und Druwez in ein Gespräch vertieft vorüberkamen, drehte sie sich um, gleichsam als suche sie nach etwas. Dann tat sie das Elfenbeinfigürchen zurück in den Beutel und legte ihn vorsichtig oben auf die leuchtendrot von ihr eingefärbte Lederhaut, um es mitzunehmen. Sie brachte es einfach nicht fertig, ihre erste Muta zurückzulassen.
Später an diesem Abend, als das Löwen-Lager sich zu der gemeinsamen Mahlzeit zusammenfand, fing Wolf plötzlich drohend an zu knurren und raste auf den vorderen Eingangsbogen zu. Ayla sprang
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