Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
und erstaunt er war, wenn eine Wüstenspringmaus, mit den kurzen Vorderbeinen und dem dicken Schwanz und den drei Zehen an den langen Hinterbeinpfoten, in kraftvollen Sprüngen floh und in dem Bau verschwand, in dem sie zuvor einen langen Winterschlaf abgehalten hatte. Hasen, Riesenhamster und große Wüstenspringmäuse waren so groß, daß sie immerhin für eine Mahlzeit reichten; außerdem schmeckten sie, wenn man sie abbalgte und überm abendlichen Feuer am Spieß briet. Ayla erlegte mit ihrer Schlinge etliche, die zuvor Wolf aufgestöbert hatte.
Die baugrabenden Steppennager taten dem Land nur gut, denn sie lockerten den Boden und wendeten ihn; einige von ihnen jedoch legten so ausgedehnte Gänge und Bauten an, daß sie den Charakter des Landes veränderten. Die allgegenwärtigen Eingänge von den Erdbauten der gesprenkelten Ziesel, denen das Löwen-Lager auf seinem Marsch begegnete, waren zu zahlreich, als daß man sie hätte zählen können, und in manchen Gebieten mußten sie ihren Weg um Hunderte von grasbedeckten, knie- bis hüfthohen Hügeln herum nehmen, von denen ein jeder ein Rudel von Murmeltieren beherbergte.
Ziesel waren die bevorzugte Beute der Gabelweihen, doch nährten sich diese langschwänzigen Falken auch von anderen Nagern sowie von Aas und Insekten. Die anmutigen Greifvögel erspähten die ahnungslosen Ziesel für gewöhnlich, wenn sie in großer Höhe ihre Kreise zogen, doch konnten die Gabelweihen genauso wie die heimischen Turmfalken rütteln, also durch schnellen Flügelschlag fast auf der Stelle stehen, oder im Tiefflug dicht über dem Boden dahinschießen und ihre Beute überraschen. Außer Habichten und Falken ernährte auch die Sumpfohreule sich von den sich schnell vermehrenden kleinen Nagern. Einmal beobachtete Ayla, wie Wolf eine Haltung einnahm, die sie genauer hinblicken ließ; sie sah einen der großen dunkelbraunen Raubvögel in der Nähe seiner Nistmulde auf dem Boden landen und seinen Jungen einen Ziesel bringen. Interessiert sah sie zu, doch weder sie noch Wolf störten die Vögel.
Eine Fülle anderer Vögel lebte von dem, was das offene Land zu bieten hatte. Lerchen und Pieper gab es überall auf den Steppen; des weiteren Moorschneehühner und Schneehühner, Flughühner, die wunderschönen blaugrau gefiedelten Jungfernkraniche mit dem schwarzen Kopf und weißen Federbüscheln hinter den Augen. Sie trafen im Frühling ein, bauten ihr Nest, lebten von Insekten, Eidechsen und Schlangen und zogen im Herbst in großen V-förmigen Formationen, laute Trompetentöne ausstoßend, wieder gen Süden.
Talut setzte sich an die Spitze und gab das Tempo an, das er für gewöhnlich einschlug, wenn er mit dem ganzen Lager unterwegs war, und das die langsameren Lagerangehörigen nicht allzu sehr hetzte. Diesmal jedoch meinte er, daß sie schneller vorankämen als sonst. Das lag an den Pferden. Dadurch, daß sie Geschenke und Tauschwaren sowie die Fellplanen für die Zelte auf den Schleppgestellen ebenso transportierten wie die Leute, die ihnen auf den Rücken gehoben worden waren, brauchte keiner mehr so viel zu tragen wie früher. Der Anführer freute sich, daß sie auf diese Weise rascher vorankamen, zumal sie diesmal auch noch einen Umweg machten. Aber das schnelle Vorankommen stellte auch ein Problem dar.
Er hatte die Route, der sie folgen wollten, ebenso geplant wie die Raststellen mit Wasser. Jetzt mußte er diese Dinge neu überlegen.
Sie hatten in der Nähe eines kleines Flusses Halt gemacht, obwohl es noch früh am Tage war. In Wassernähe gingen die Steppen gelegentlich in Baumgruppen und Gehölze über, und diesmal schlugen sie ihr Lager auf einer großen, von Bäumen umstandenen Fläche auf. Nachdem Ayla Winnie vom Schleppgestell befreit hatte, beschloß sie, Latie auf einen Ritt mitzunehmen. Das Mädchen half liebend gern bei den Pferden und war entsprechend bei diesen beliebt. Nachdem sie, hintereinander sitzend, durch ein kleines Wäldchen geritten waren, das aus einer Mischung von Fichten, Birken, Hainbuchen und Lärchen bestand, gelangten sie auf eine blumenübersäte Senke, eine kleine fette Weide, gleichsam ein Stück von Bäumen eingefaßter Steppe. Ayla hielt an und flüsterte der jungen Frau, die rittlings auf dem Pferd vor ihr saß, ganz leise ins Ohr:
»Ganz ruhig bleiben, Latie! Aber schau, dort drüben, am Wasser.«
Latie blickte in die von Ayla angegebene Richtung, konnte zuerst nichts erkennen, doch dann lächelte sie, als sie eine SaigaAntilope mit zwei
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