Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
ganz jungen Kitzen mißtrauisch, doch noch unsicher, den Kopf heben und sichern sah. Dann entdeckte Latie noch eine Reihe anderer. Die spiralförmig gedrehten Hörner wuchsen gerade aus dem Kopf der kleinen Antilopen hervor und bogen sich am Ende leicht nach hinten; die unförmig aufgetriebene Nase verlieh ihnen ein charakteristisches langes Gesicht.
Da sie regungslos auf dem Rücken des Pferdes saßen und hinüberspähten, fielen ihnen plötzlich die Geräusche auf, die die Vögel machten: das Gurren der Tauben, das fröhliche Geträller eines Waldsängers, der Ruf eines Spechts. Ayla vernahm den wunderschönen flötenähnlichen Gesang eines Pirols und antwortete so täuschend ähnlich darauf, daß es den Vogel ganz verwirrte. Latie wünschte, so pfeifen zu können.
Ayla gab Winnie ein kaum merkliches Zeichen, woraufhin die Stute langsam die parkähnliche Waldlichtung überquerte. Latie zitterte förmlich vor Aufregung, als sie sich der Antilope näherten; dann entdeckte sie eine zweite Hindin mit zwei Kitzen. Plötzlich drehte sich der Wind, sämtliche SaigaAntilopen hoben den Kopf und sprangen gleich darauf durch den Wald auf die offene Steppe hinaus. Ein grauer Strich hetzte hinterher, und da wußte Ayla, was sie zur Flucht getrieben hatte.
Als Wolf hechelnd zurückkam und sich auf den Boden fallen ließ, graste Winnie friedlich, und die beiden jungen Frauen hockten im besonnten Gras und suchten wilde Erdbeeren. Eine Handvoll leuchtender Blüten bedeckte den Boden neben Ayla, leuchtendrote Blüten mit langen dünnen Blütenblättern, die aussahen, als hätte man sie in roten Farbstoff getaucht, dazu Büschel großer, goldgelber Blütenkörbchen und darunter weiße, mit samtweichen Härchen überzogene Beeren.
»Wären doch nur genug da, daß wir welche mit zurücknehmen könnten«, sagte Ayla und steckte wieder eine winzige, doch ungewöhnlich süße und geschmackvolle Beere in den Mund.
»Dazu müßten es aber viel mehr sein. Mir würde es schon reichen, wenn nur für mich noch mehr da wären«, sagte Latie und verzog das Gesicht zu einem breiten Grinsen. »Außerdem soll dies für mich ein besonderer Ort bleiben – einer, der nur uns beiden gehört, Ayla.« Sie steckte eine Erdbeere in den Mund, schloß die Augen und kostete den Wohlgeschmack aus. Ihr Gesicht wurde nachdenklich. »Diese Baby-Antilopen, die waren ja noch sehr jung, nicht wahr? So nahe bin ich bisher nie an so junge herangekommen.«
»Das liegt an Winnie. Deshalb lassen sie uns so nahe heran. Vor Pferden haben Antilopen keine Angst. Wohl aber vor unserem Wolf.« Ayla sah zu dem Tier hinüber. Als er seinen Namen hörte, sah er auf. »Der hat sie verscheucht.«
»Ayla, darf ich dich was fragen?«
»Nur zu. Du kannst mich immer fragen.«
»Meinst du, ich finde später mal ein Pferd? Ein kleines, meine ich, um das ich mich dann kümmern könnte, so wie du dich um Winnie gekümmert hast – daß es sich an mich gewöhnt.«
»Ich weiß nicht recht. Schließlich hatte ich mir ja auch nicht vorgenommen, Winnie zu suchen. Das war reiner Zufall. Und es wird schwerfallen, gerade ein kleines zu finden. Schließlich beschützen alle Mütter ihre Jungen.«
»Wenn du noch ein Pferd haben wolltest, ein kleines Pferd, wie würdest du das anstellen?«
»Darüber habe ich noch nie nachgedacht … ich würde meinen, wenn ich ein Füllen haben wollte … laß mich mal überlegen … dann würdest du seine Mutter einfangen müssen. Erinnerst du dich an die Wisentjagd vorigen Herbst? Wenn du Jagd auf Pferde machtest und eine Herde in eine Einfriedung hineintriebest wie die, brauchtest du sie ja nicht alle zu töten. Dann könntest du ein oder zwei Fohlen behalten. Vielleicht würde es dir sogar gelingen, ein junges Tier von den anderen zu trennen; dann könntest du die anderen einfach freilassen, wenn du sie nicht brauchtest.«
Ayla lächelte. »Mir fällt es heute schwerer, Jagd auf Pferde zu machen, als früher.«
Bei ihrer Rückkehr saßen die meisten Mamutoi um ein großes Feuer herum und aßen. Die beiden jungen Frauen nahmen sich und setzten sich dann gleichfalls hin.
»Wir haben ein paar Saiga-Antilopen gesehen«, erzählte Latie, »sogar kleine.«
»Und Erdbeeren, wie mir scheint, auch«, bemerkte Nezzie trocken, als sie die rotgefleckten Hände ihrer Tochter sah. Latie errötete; ihr fiel ein, daß sie sie alle für sich hatte behalten wollen.
»Es waren nicht genug da, welche mitzubringen«, sagte Ayla. »Das hätte nichts zu bedeuten. Ich kenne doch Latie
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