Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
tagsüber in der Nähe der Steinschläger und ihres Arbeitsbereiches aufzuhalten fiel ihm nicht schwer, und das führte zu Aufforderungen, bestimmte Menschen kennenzulernen, oder trug ihm Einladungen zu irgendwelchen Mahlzeiten ein. Zum ersten Mal seit seiner Jungmännerzeit machte er von sich aus Bekanntschaften, das heißt, ohne die Hilfe seines Bruders – und stellte fest, daß das gar nicht so schwierig war.
Die Frauen lieferten ihm einen Vorwand, auch des Nachts fernzubleiben, oder wenn nicht die ganze Nacht, so doch zumindest bis sehr spät. Echtes Gefühl brachte er keiner von ihnen entgegen; trotzdem wurde er von Schuldgefühlen geplagt, sie nur als Zuflucht zu benutzen, wofür er sie mit dem entschädigte, was er am besten konnte und was ihn wiederum um so unwiderstehlicher machte. Viele der Frauen hatten die Erfahrung gemacht, daß Männern, die so hübsch waren wie Jondalar, mehr daran lag, selbst Befriedigung zu finden, als ihrer Partnerin dazu zu verhelfen; er jedoch war so erfahren, daß er jeder Frau das Gefühl vermittelte, er mache sich sehr wohl etwas aus ihr. Für ihn war das höchst entspannend; er brauchte nicht seine eigenen mächtigen Bedürfnisse zu bekämpfen und konnte gleichzeitig versuchen, mit seinen völlig verwirrten Gefühlen zurechtzukommen. Außerdem genoß er die Frauen, wenn auch nur in derselben Art, wie er Frauen immer genossen hatte, nämlich oberflächlich. Wonach er hungerte, das waren die tiefergehenden Gefühle, nach denen er immer gesucht hatte und die keine Frau in ihm weckte – außer Ayla.
Ayla sah ihn zusammen mit Tarneg und Danug von der Flintgrube des Wolfs-Lagers zurückkommen, und wie so oft, wenn sie ihn sah, klopfte ihr plötzlich das Herz bis zum Hals hinauf und schnürte sich ihr schmerzlich die Kehle zu. Sie sah, daß Tulie sich den drei Männern näherte und dann mit Jondalar fortging, während Tarneg und Danug weitergingen in ihre Richtung. Talut winkte die beiden zu sich.
»Ich würde dich gern fragen, wie das bei deinen Leuten Sitte ist Jondalar«, sagte Tulie, nachdem sie einen Platz gefunden hatten, wo sie ungestört miteinander reden konnten. »Ich weiß, du ehrst Die Mutter, und das spricht für dich und die Zela … Zelandonii. Aber kennt ihr auch eine zeremonielle Einführung in das Frauentum, zu dem Rücksichtnahme, Verständnis und Sanftheit gehören?«
»Erste Riten? Aber selbstverständlich. Wie könnte es jemand gleichgültig sein, wie eine junge Frau das erste Mal geöffnet wird? Unsere Rituale sind wohl nicht ganz genauso wie die euren, aber Sinn und Zweck sind die gleichen«, sagte Jondalar.
»Gut. Ich habe mit ein paar Frauen gesprochen. Sie reden in den höchsten Tönen von dir, du bist uns mehrere Male ausdrücklich empfohlen worden, und das ist wichtig; aber noch wichtiger ist, daß Latie um dich gebeten hat. Wärest du bereit, dich an ihrer Initiation zu beteiligen?«
Jondalar ging auf, daß er das hätte voraussehen müssen. Nicht, daß er nicht schon früher gebeten worden wäre, aber aus irgendeinem Grund dachte er, Tulie habe wirklich nur wissen wollen, wie es bei seinen Leuten Sitte sei. Früher war er stets mit Freuden bereit gewesen, an den Ersten Riten teilzunehmen, doch jetzt zögerte er. Es hatten ihn hinterher oft auch schreckliche Schuldgefühle belastet, die heilige Zeremonie zu mißbrauchen, sein eigenes Bedürfnis nach den tieferen Gefühlen zu befriedigen, die sie weckte. Er war sich nicht sicher, ob er gerade jetzt mit diesen widerstreitenden Gefühlen fertigwerden würde, zumal es sich um jemand handelte, den er so gern mochte wie Latie.
»Tulie, ich habe an ähnlichen Ritualen teilgenommen, und ich bin mir bewußt, welche Ehre mir antragt; trotzdem, glaube ich, muß ich ablehnen. Mir ist klar, wir sind nicht richtig miteinander verwandt, aber ich lebe jetzt so lange im LöwenLager, daß Latie wie eine Schwester für mich ist«, sagte Jondalar, »eine jüngere Schwester, die ich besonders gern habe.«
Tulie nickte. »Schade, Jondalar. In vieler Hinsicht wärest du genau der richtige. Du kommst von weit her, es kann keine Verwandtschaft zwischen euch bestehen. Aber ich kann verstehen, daß man ihr gegenüber brüderliche Gefühle entwickelt. Du hast zwar nicht genau dasselbe Herdfeuer geteilt, aber Nezzie hat dich liebevoll behandelt wie einen Sohn, und Latie ist eine vielversprechende Person. In den Augen Der Mutter gibt es nichts Schändlicheres, als daß beim ersten Mal ein Mann einer Frau beiwohnt und sie
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