Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
doch alles in allem hatte es größere Vorteile, mit Worten zu sprechen, die gehört und verstanden wurden. Mit einer aus Wörtern bestehenden Sprache konnte man sich auch mit jemand verständigen, der hinter einer Barriere stand oder sich in einem anderen Raum befand, ja, man konnte sogar über eine beträchtliche Entfernung hinweg laut rufen oder sich einer großen Schar von Personen verständlich machen. Man konnte reden, wenn jemand einem den Rücken zukehrte oder wenn man etwas in Händen hielt; Sprechen machte die Hände für anderes frei; außerdem konnte man sich im Dunkeln leise unterhalten.
Ayla saß eine Weile still neben dem Jungen, stellte keine Fragen, sondern bot nur Wärme und Nähe. Dann begann sie zu sprechen.
»In mancher Beziehung erinnert mich dieses Treffen an ein Clan-Treffen«, sagte Ayla. »Obwohl ich hier genauso aussehe wie alle anderen, komme ich mir anders vor. Dort jedoch war ich anders … größer als irgendeiner der Männer … war bloß eine große, häßliche Frau. Als wir das erste Mal hingingen, war es schrecklich. Beinahe hätte Bruns Clan nicht teilnehmen dürfen, nur weil sie mich mitgebracht hatten. Sie sagten, ich sei kein Clan, Creb jedoch bestand darauf, ich sei Clan. Er war der Mog-ur, und sie wagten nicht, ihm zu widersprechen. Wie gut, daß Durc nur ein Baby war. Als sie ihn sahen, hielten sie ihn für eine Mißgeburt; alle starrten ihn an. Du weißt, wie weh das tut. Aber er war nicht mißgebildet. Er war nur eine Mischung, genauso wie du. Oder vielleicht bist du mehr wie Ura. Ihre Mutter war Clan.«
»Du hast gesagt, Ura wird sich mit Durc zusammentun?« fragte Rydag und wandte sich dem Lichtschein des Feuers zu, damit sie seine Zeichen auch sah. Wider Willen war er gefesselt.
»Ja. Ihre Mutter trat an mich heran, und so wurde es verabredet. Sie war unendlich erleichtert, als sie erfuhr, daß es noch ein Kind wie ihre Tochter gab, einen Jungen von gemischten Geistern. Sie hatte Angst, Ura würde nie einen Gefährten finden. Ich hatte, ehrlich gesagt, noch nicht weiter darüber nachgedacht. Ich war einfach dankbar, daß Durc vom Clan akzeptiert und damit aufgenommen wurde.«
»Durc ist Clan? Er ist gemischt, aber Clan?« fragte der Junge durch Zeichen.
»Ja, Brun hat ihn aufgenommen, und Creb hat ihm den Namen gegeben. Den kann nicht einmal Broud ihm wieder nehmen. Alle liebten sie ihn – nur Broud nicht –, selbst Oga, Brouds Gefährtin. Sie hat ihn genährt, als mir die Milch ausblieb, zusammen mit ihrem Sohn, Grev. Die beiden sind wie Brüder aufgewachsen und heute gute Freunde. Der alte Grod hat Durc einen kleinen Spieß gemacht, genau zu seiner Größe passend.« Ayla lächelte. »Am meisten aber liebt Uba ihn. Uba ist meine Schwester, so wie du und Rugie. Sie ist jetzt Durcs Mutter. Als Broud mich zwang zu gehen, habe ich ihn Uba gegeben. Er sieht vielleicht ein wenig anders aus, gewiß, aber Durc ist Clan.«
»Ich finde es furchtbar hier«, gab Rydag ihr erregt und wütend zu verstehen. »Ich wünschte, ich wäre Durc und lebte beim Clan.«
Was Rydag das sagte, erschreckte Ayla. Selbst nachdem sie noch weiter miteinander geredet hatten und sie ihn schließlich bewog, doch etwas zu essen, und sie die Schlaffelle um ihn herum festgesteckt hatte, ging ihr seine Wut nicht aus dem Sinn.
Ranec ließ Ayla den ganzen Abend über nicht aus den Augen. Er merkte, daß sie mitten in irgendeiner Tätigkeit – etwa beim Essen – innehielt, in die Ferne zu schauen schien und ihre Augen glasig wurden, oder daß sie sich in Gedanken auf etwas konzentrierte. Er wußte, ihre Gedanken lasteten schwer auf ihr, und er wünschte so sehr, sie zu trösten und die Last gemeinsam mit ihr zu tragen.
An diesem Abend blieben sie alle im Rohrkolben-Lager, und im Zelt herrschte größte Enge. Ranec wartete, bis Ayla schließlich unter ihre Felle kroch, woraufhin er seinerseits rasch sein Lager aufsuchte.
»Willst du nicht heute nacht zu mir kommen, Ayla?« Ranec verfolgte, wie sie die Augen schloß und die Stirn in Falten legte. »Ich meine nicht, wegen der Wonnen«, fügte er rasch hinzu, »es sei denn, du wolltest. Ich weiß, es ist ein schwerer Tag für dich gewesen …«
»Ich glaube, für das Löwen-Lager war er noch schwerer«, sagte Ayla.
»Das meine ich zwar nicht, aber es spielt keine Rolle. Ich möchte dir einfach etwas geben, Ayla. Meine Felle, meine Wärme, meine Liebe. Ich möchte dir heute nacht nahe sein.«
Nickend gab sie ihm ihre Einwilligung zu verstehen und schlüpfte
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