Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
Viele Leute hätten immer noch etwas dagegen, daß man ihm erlaube, bei ihnen zu leben.
Ayla machte sich Sorgen über Rydag. Er lächelte nur noch selten; außerdem fiel ihr auf, daß er seinen sanften Humor verloren hatte. Er hatte keinen Appetit, und sie nahm an, daß er auch nicht gut schlief. Zwar schien er es zu genießen, wenn sie ihm von ihrem Leben beim Clan erzählte, aber er beteiligte sich kaum an den Unterhaltungen.
Sie brachte Winnie in den Unterstand und sah Jondalar unten auf der großen Weide mit Renner zur Flußfurt zureiten. Er schien verändert in letzter Zeit und nicht mehr ganz so distanziert, vielleicht aber noch bekümmerter als früher.
Einer Regung des Augenblicks folgend, beschloß Ayla, jenen offenen Raum in der Mitte des Gesamtlagers aufzusuchen und zu sehen, was dort vorging. Das Wolfs-Lager erklärte, als Gastgeber könnten sie nicht Partei ergreifen, doch meinte Ayla, im großen und ganzen teilten sie die Einstellung des LöwenLagers. Sie wollte sich nicht verstecken. Schließlich war sie kein ›Scheusal‹, die Clan-Angehörigen waren Menschen und Rydag und ihr Sohn desgleichen. Sie wollte etwas tun, wollte sich zeigen. Vielleicht dem Herdfeuer des Mammut oder der Musikhütte oder Latie einen Besuch abstatten.
Entschlossenen Schritts machte sie sich auf den Weg, nickte denjenigen zu, die sie grüßten, und ignorierte diejenigen, die es nicht taten. Als sie sich der Musikhütte näherte, sah sie Deegie herauskommen.
»Ayla! Dich habe ich gesucht. Hast du irgend etwas
Bestimmtes vor?«
»Ich wollte nur vom Löwen-Lager fort.«
»Gut. Und ich wollte gerade Tricie besuchen und mir ihr Baby
ansehen. Sie war nie da, wenn ich es versucht habe, aber jetzt hat Kylie mir gesagt, sie ist zu Hause. Hast du Lust mitzukommen?«
»Ja.« .
Gemeinsam strebten sie der Hütte der Anführerin zu. »Wir wollten dich besuchen, Tricie«, erklärte Deegie am Eingang, »und uns dein Baby ansehen.«
»Tretet ein!« forderte Tricie sie auf. »Ich habe ihn zwar gerade hingelegt, aber ich glaube nicht, daß er schon schläft.«
Ayla hielt sich im Hintergrund, während Deegie das Baby hochnahm und im Arm hielt, ihm girrende Laute vormachte und mit ihm sprach.
»Möchtest du ihn dir nicht auch ansehen, Ayla?« sagte Tricie schließlich. Es klang fast wie eine Herausforderung.
»Ich möchte ihn mir ansehen.«
Sie ließ sich das Baby von Deegie geben und betrachtete den kleinen Jungen sehr eingehend. Seine Haut war so hell, daß sie etwas Durchscheinendes hatte. Seine Augen waren von einem so hellen Blau, daß sie beinahe farblos wirkten. Sein Haar war gelblichrot, sonst aber kraus und kleingelockt wie das von Ranec. Sein Gesicht war ganz unverkennbar das von Ranec – nur winzig klein. Ayla hatte nicht den geringsten Zweifel, daß Ralev Ranecs Baby war. Ranec hatte ihn so gewiß in Tricie wachsen lassen, wie Broud Durc hatte in ihr wachsen lassen. Sie mußte sich unwillkürlich fragen, ob auch sie ein Baby wie dieses bekommen würde, wenn sie zusammengegeben wurden.
Ayla sprach mit dem Kind auf ihrem Arm. Erstaunt sah es sie an, wie fasziniert, dann verzog sich sein Gesicht, und es ließ ein verzücktes kleines Lachen vernehmen. Ayla drückte es an sich, schloß die Augen, spürte seine weiche Wange an der ihren – und ihr Herz schmolz.
»Ist er nicht schön, Ayla?« sagte Deegie.
»Ja, ist er nicht wirklich schön?« fragte auch Tricie, freilich mit einer gewissen Schärfe im Ton.
Ayla sah die junge Mutter an. »Nein, schön finde ich ihn nicht.« Deegie hielt vor Überraschung die Luft an. »Keiner könnte behaupten, daß er schön ist, aber … er ist das liebenswerteste Baby, das ich je gesehen habe. Keine Mutter in der Welt könnte ihm widerstehen. Er muß ja nicht unbedingt schön sein. Er hat etwas ganz Besonderes, Tricie. Ich meine, du bist zu beneiden um ein solches Kind.«
Das Lächeln der Mutter bekam etwas Weiches. »Das bin ich wohl auch, Ayla. Und ich muß dir recht geben, er ist nicht schön. Aber er ist gut, und so liebenswert.«
Plötzlich entstand draußen Bewegung. Rufe und Klageschreie wurden laut. Die drei jungen Frauen hasteten an den Eingang.
»Ach, Große Mutter! Meine Tochter! Wenn ihr doch jemand hülfe!« rief eine Frau wehklagend.
»Was ist denn mit ihr? Und wo ist sie?« fragte Deegie.
»Ein Löwe! Ein Löwe hat sie! Unten auf der Weide. Wenn ihr doch jemand helfen würde, bitte!« Ein paar mit Speeren bewaffnete Männer liefen bereits den Pfad hinunter.
»Ein Löwe? Nein, das
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