Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
dann konnte sie nicht widerstehen. Sie hob das Bein an, schob sich auf seinen Rücken hinauf und krallte sich in seiner rötlichen Mähne fest. Es war nicht das erstemal.
Sie fühlte, wie mächtige Muskeln sich unter ihr zusammenzogen, und dann, mit einem Satz, schoß er davon und hatte im Nu die Höchstgeschwindigkeit eines jagenden Löwen erreicht. Wiewohl sie schon früher auf dem Löwen geritten war, nie hatte sie irgendwelche Signale entwickelt, um ihn zu lenken. Er lief, wohin er wollte, aber er gestattete ihr mitzukommen. Immer war es ein aufregender, wilder Ritt, und gerade aus diesem Grunde liebte sie ihn. Ayla klammerte sich an seine Mähne, und der Wind fuhr ihr ins Gesicht, und sie atmete seinen starken, beizenden Geruch ein.
Ayla spürte, wie er wendete und verlangsamte – der Löwe war ein Kurzstreckensprinter; im Gegensatz zum Wolf kannte er keine Ausdauer über lange Strecken –, und sie spähte voraus, um Winnie zu suchen, die geduldig grasend auf sie wartete. Das Pferd wieherte, als sie sich näherten, und warf den Kopf in die Höhe. Babys strenger Löwengeruch war stark ausgeprägt und beunruhigend; aber die Stute hatte geholfen, das Tier von klein auf großzuziehen, und hatte ihn auf ihre Weise bemuttert. Wiewohl er im Widerrist fast so hoch war wie sie, dabei aber weit länger und schwerer, hatte das Pferd keine Angst vor diesem bestimmten Löwen, zumal Ayla bei ihm war.
Als der Löwe stehenblieb, ließ Ayla sich von seinem Rücken gleiten. Sie umarmte ihn und kraulte ihn nochmals, doch dann gab sie ihm mit einem Signal, das das Schleudern eines Steins andeutete, zu verstehen, er solle sich trollen. Tränen rannen ihr über die Wangen, als sie ihn – den Schwanz von einer Seite zur anderen bewegend – davongehen sah. Als sie dann seine unverkennbaren Knurrlaute »hnk, hnk, hnk« hörte, die sie überall wiedererkannt hätte, schluchzte sie laut auf. Die Tränen flossen reichlicher, und das Bild der großen lohfarbenen Katze mit der rötlichen Mähne, die dort im hohen Gras verschwand, verschwamm. Irgendwie wußte Ayla, daß sie nie wieder auf ihm reiten würde; daß sie ihren wilden, unwahrscheinlichen Löwensohn nie wiedersehen würde.
Sein »Hnk, hnk« hörte nicht auf, bis der mächtige Höhlenlöwe – wirklich riesenhaft verglichen mit seinen späteren Verwandten – ein tief aus dem Bauch aufsteigendes, ohrenbetäubendes Gebrüll ausstieß, das meilenweit im Umkreis zu hören war. Er brachte mit seinem Lebewohl gleichsam die Erde zum Zittern.
Ayla gab Winnie ein Zeichen und kehrte zu Fuß mit ihr zurück. So gern sie auch auf ihrer Stute ritt, ihr lag daran, das Gefühl dieses letzten wilden Ritts solange in sich zu bewahren, wie es irgend ging.
Endlich riß Jondalar sich von dem faszinierenden Anblick los und bemerkte die Fassungslosigkeit auf den Gesichtern der anderen. Er sah förmlich, was sie dachten. Pferde, das mochte noch hingehen, selbst ein Wolfaber ein Höhlenlöwe? Sein Gesicht verzog sich zu einem breiten, selbstgefälligen, stolzen und auch erleichterten Grinsen. Sollte jetzt noch mal jemand seine Geschichten anzweifeln!
Die Männer schickten sich an, hinter Ayla den Pfad hinaufzugehen; sie kamen sich beinahe töricht vor mit ihren Speeren, für die sie keine Verwendung hatten. Die Leute, die alles beobachtet und verfolgt hatten, traten, als sie näherkam, zurück, machten den Weg frei für die Frau und das Pferd, und starrten ungläubig, immer noch wie vor den Kopf geschlagen und von ehrfürchtiger Scheu ergriffen, hinter ihr her. Selbst die Leute vom Löwen-Lager, die Jondalars Erzählungen kannten und von Aylas Leben im Tal der Pferde wußten, konnten nicht glauben, was sie gesehen hatten.
35
Ayla hatte ihre Kleidung durchgesehen, um sich darüber klarzuwerden, was sie auf die Jagd mitnehmen wollte – nachts könne es empfindlich kalt werden, hatte man ihr gesagt. Sie würden bis in ein Gebiet vorstoßen, wo man die gigantische Eiswand sah, die den äußersten Rand des Gletschers bildete. Wymez hatte ihr eine Reihe von vorzüglich gearbeiteten Speeren gebracht und ihr die Vorteile der von ihm eigens für die Mammutjagd entwickelten Speerspitze erklärt. Sie wollte ihn gerade bitten, eine Speerspitze so umzugestalten, daß sie sie auch bei ihrem Speerwerfer verwenden konnte, als Mamut hinzukam.
»Die Mamuti möchten mit dir reden. Sie wollen, daß du ihnen hilfst, die Mammuts herbeizurufen, Ayla«, sagte er. »Sie glauben, wenn du mit dem Geister-Mammut sprichst,
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