Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
alten Geschichten und Überlieferungen glauben will, beherbergt das Löwen-Lager etwas Abscheuliches, nämlich eine Frau, die durch und durch böse ist, die die Geister von Flachschädel-Tieren anzieht wie das Feuer Falter in der Nacht – und sie weitergibt an die anderen Frauen. Was hältst du denn davon, Avarie?«
»Ich weiß es nicht, Vincavec. Ich mag Ayla, ich glaube nicht, daß sie ein böser Mensch ist. Und der Junge wirkt auf mich nicht wie ein Tier. Er ist bloß schwächlich und kann nicht sprechen, aber verstehen tut er, glaube ich. Vielleicht ist er ein Mensch, und vielleicht sind all die anderen Flachschädel auch Menschen. Vielleicht hat der alte Mamut recht. Die Mutter hat einfach einen Geist von den einzigen Männern gewählt, die in Aylas Nähe waren, als Sie ihr ein Baby schenkte. Allerdings hatte ich keine Ahnung, daß sie oder der alte Mann – bei Flachschädeln gelebt hat.«
»Der alte Mann hat viele Jahre gelebt, er hat mehr Dinge vergessen, als zwei Handvoll jüngerer Männer jemals erfahren werden, und oft hat er recht. Ich habe das unbestimmte Gefühl, Avarie, all dies wird auf Dauer keine schlechten Folgen zeitigen. Irgendwie hat diese Ayla etwas, daß ich glaube, Die Mutter hat irgendwas mit ihr vor. Vielleicht geht sie mächtiger aus dieser ganzen Sache hervor, als sie es vorher war. Laß uns mal feststellen, was das Mammut-Lager davon hält, wenn wir uns an die Seite vom Löwen-Lager stellen.«
»Wo ist Tulie?« fragte Fralie und sah sich im Zelt um. »Sie ist mit Latie zurück ins Frauentumslager«, sagte Nezzie.
»Warum?«
»Erinnerst du dich noch an das Lager, das kurz vor der
Ankunft vom Mammut-Lager ein Angebot abgab, Ayla zu
adoptieren?«
Fragend sah Ayla Fralie an.
»Ja«, sagte Nezzie. »Dasjenige, von dem Tulie meinte, daß es
nicht genug zu bieten habe.«
»Sie stehen draußen und fragen wieder nach Tulie.« »Ich werde hinausgehen und sehen, was sie wollen«, sagte
Nezzie.
Ayla wartete drinnen und wollte ihnen nicht gegenübertreten,
wenn es nicht unbedingt sein mußte. Nach kurzer Zeit kam
Nezzie zurück.
»Sie wollen dich immer noch adoptieren, Ayla«, sagte sie. »Die
Anführerin dieses Lagers hat vier Söhne. Sie wollen dich zur
Schwester haben. Sie sagen, wo du schon einen Sohn hast,
beweist das nur, daß du überhaupt Kinder bekommst. Sie haben
ihr Angebot erhöht. Vielleicht solltest du hinausgehen und sie
im Namen Der Mutter begrüßen.«
Seite an Seite und sehr zielbewußt gingen Tulie und Latie durch das Lager, schauten weder nach links noch nach rechts und kümmerten sich nicht um die neugierigen Blicke.
»Tulie! Latie! Wartet einen Moment!« rief Brecie und lief hinter ihnen her. »Wir wollten gerade einen Läufer zu euch schicken, Tulie. Wir möchten euch einladen, heute abend im Weiden-Lager ein Mahl mit uns zu teilen.«
»Vielen Dank, Brecie. Ich weiß die Einladung zu schätzen. Selbstverständlich kommen wir. Ich hätte wissen müssen, daß ich mich auf dich verlassen kann.«
»Wir sind jetzt seit langen Jahren Freundinnen, Tulie. Manchmal werden alte Geschichten nur erzählt, weil sie alt sind. Fralies Baby macht auf mich einen prächtigen Eindruck.«
»Sie ist nur zu früh auf die Welt gekommen. Und wäre Ayla nicht gewesen, wäre Bectie heute nicht am Leben«, sagte Latie rasch, um ihre Freundin in Schutz zu nehmen.
»Ich habe mich allerdings gefragt, wo sie herkommt. Alle dachten, sie wäre mit Jondalar gekommen. Sie sind beide groß und blond, doch ich wußte es besser. Ich erinnere mich, als wir ihn und seinen Bruder in der Nähe des Beran-See aus dem Schlamm befreiten. Da war sie nicht dabei, und ich wußte auch, daß sie nicht mit Mamutoi-Akzent spricht; mit Sungaea-Akzent allerdings auch nicht. Wie sie allerdings diese Pferde und den Wolf beherrscht, das begreife ich noch immer nicht.«
Als sie dem Mittelpunkt der Senke und den Erdhütten des Wolfs-Lagers zustrebten, war Tulie wesentlich wohler zumute.
»Wie viele sind das jetzt?« fragte Tarneg Barzec, als sich wieder eine Abordnung empfahl.
»Fast die Hälfte aller Lager hat bis jetzt irgendeine Geste der Versöhnung gemacht«, sagte Talut. »Etliche andere allerdings führen ziemlich starke Argumente gegen uns ins Feld. Manche gehen sogar so weit zu fordern, wir sollten abziehen.«
»Gewiß, aber sieh dir an, welche das sind, und Chaleg ist wirklich der einzige, den ich rundheraus habe sagen hören, wir sollten gehen«, sagte Tarneg.
»Auch sie sind Mamutoi, und selbst von widrigen
Weitere Kostenlose Bücher