Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
Nesseln, Haselsträucher mit noch nicht ganz reifen Nüssen, gerade so, wie Ayla sie liebte, und ein paar Zirbelkiefern mit Zapfen, in denen delikate Nüsse steckten.
Ein Stück weiter traten Hainbuchen an die Stellen der Buchen, die jedoch bald wieder die Oberhand gewannen. Eine riesige, umgestürzte Hainbuche war mit einer so dichten, orangegelben Schicht von Hallimasch überzogen, daß Ayla absaß und sich ans Pflücken machte. Jondalar half ihr, die köstlichen Pilze zu sammeln, und er war es auch, der den Baum mit dem Bienenstock entdeckte. Mit einer Rauchfackel und seiner Axt kletterte er auf einer improvisierten Leiter aus dem Stamm einer umgestürzten Tanne, an der noch die Stubben der kräftigen Äste saßen, an dem Baum empor, und brach, ohne sich von ein paar Stichen stören zu lassen, einige Waben ab. Sie verzehrten die seltene Köstlichkeit an Ort und Stelle, wobei sie auch das Wachs und ein paar Bienen mitaßen, und lachten wie die Kinder über ihre klebrigen Hände und Gesichter.
Dann setzten sie am Ufer des breiten Flusses ihre Reise nach Westen fort. Die Details wurden deutlicher, aber die schneebedeckten Kuppen waren ein stets gegenwärtiger Anblick, und ihre Annäherung erfolgte so allmählich, daß ihnen kaum bewußt wurde, daß sie den Bergen tatsächlich näher kamen. Von Zeit zu Zeit machten sie einen Abstecher in die bewaldete Hügellandschaft im Norden, aber meistens hielten sie sich auf der Ebene im Tal des Flusses. Obwohl die Landschaftsform anders war, hatten die bewaldeten Ebenen doch mit den Bergen vieles gemeinsam.
Während sie weiter stromaufwärts ritten, betrachtete Ayla immer wieder den Fluß. Sie wußte, daß das Wasser aller Nebenflüsse stromabwärts getragen wurde, und daß der große Fluß jetzt weniger Wasser führte. Obwohl sich an der großen Fläche, die das fließende Wasser bedeckte, nichts geändert zu haben schien, hatte sie doch das Gefühl, als hätte das Wasser der Großen Mutter eine Einbuße erlitten. Es war ein Gefühl, das tiefer wurzelte als Wissen, und sie versuchte immer wieder herauszufinden, ob sich der gewaltige Fluß auf irgendeine erkennbare Art verändert hatte.
Es dauerte jedoch nicht lange, bis sich das Aussehen des Flusses tatsächlich veränderte. Tief unter dem Löß vergraben,
dem fruchtbaren Erdreich, das einst von den Gletschern feingemahlener und vom Wind verwehter Steinstaub gewesen war, und unter dem Lehm, Sand und Kies, die fließendes Wasser im Laufe der Jahrtausende abgelagert hatten, befand sich das uralte Massiv, dessen dauerhafte Wurzeln einen Schild gebildet hatten, der so unnachgiebig war, daß die starre Granitkruste, von den unerbittlichen Bewegungen der Erde gegen das Massiv gedrängt, nachgeben mußte und zu den Bergen aufgefaltet worden war, deren eisbedeckte Kuppen jetzt in der Sonne funkelten.
Die Wälder blieben hinter Ayla und Jondalar zurück, als sie südwärts in eine flache, mit niedrigen Hügeln durchsetzte und mit stehendem Heu bedeckte Landschaft ritten. Diese Region ähnelte der offenen Steppe in der Nähe des Deltas, aber sie war heißer und trockener, es gab sogar Sanddünen, auf denen zumeist zähe, dürreresistente Gräser wuchsen und, in Wassenähe, ein paar Bäume. Verholztes Gestrüpp, in erster Linie Beifuß, Salbeigamander und Estragon, versuchte in dem mageren Boden zu existieren und verdrängte an manchen Stellen sogar die verkrüppelten Zwergkiefern und Weiden, die dicht an den Ufern der Flüsse wuchsen.
Das Sumpfland zwischen den beiden Armen des Flusses, ein Gebiet, das immer wieder überschwemmt wurde, ähnelte dem großen Delta und war ebenso reich an Riedgräsern, Wasserpflanzen und Tieren. Flache Inseln mit Bäumen und kleinen grünen Wiesen wurden umschlossen von den schlammig gelben Hauptarmen oder kleineren Rinnen mit klarem Wasser, in denen zahlreiche, oft ungewöhnlich große Fische lebten.
Sie ritten ganz dicht beim Wasser über ein offenes Feld, als Jondalar Renner anhielt. Ayla machte neben ihm halt. Er lächelte, als er ihr verblüfftes Gesicht sah, aber bevor sie etwas sagen konnte, legte er den Finger auf die Lippen und deutete auf einen klaren Tümpel, in dem Unterwasserpflanzen im Rhythmus unsichtbarer Strömungen schwankten. Anfangs sah sie nichts Ungewöhnliches, doch dann erschien, mühelos aus der grün überhauchten Tiefe emporgleitend, eine riesige Gold-karausche. An einem anderen Tag sahen sie in einer Lagune mehrere dreißig Fuß lange Störe.
Schilfdickichte, Seen
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