Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
hinein und führte ihn in eine abgelegene Ecke. Sie blieb eine Weile bei ihm, wohl wissend, wie schwer es ihm fallen würde, den Kindern nur zuzusehen und nicht mit ihnen spielen zu dürfen.
Sein Verhalten beruhigte Solandia, die nun ihren Gästen einen heißen Tee vorsetzte, ihre Kinder vorstellte und dann zurückging, um ihr Essen weiter zu kochen. Sie vergaß dabei die Anwesenheit des Tieres, doch ihre Kinder waren von ihm gefesselt. Ayla beobachtete sie unauffällig. Der älteste der vier, Larogi, war ein Junge von etwa zehn Jahren, schätzte sie. Dann war da noch ein Mädchen von vielleicht sieben Jahren, Dosalia, und noch ein etwa vierjähriges, Nelandia. Und wenn der Säugling noch nicht laufen konnte, so tat das seiner Beweglichkeit keinen Abbruch. Es war im Krabbelalter und auf allen vieren kaum zu bremsen.
Die älteren Kinder hatten Angst vor Wolf; das älteste Mädchen nahm das Kleinkind auf den Arm und beobachtete das Tier; doch nach einer Weile setzte sie es wieder ab. Während Jondalar mit Losaduna sprach, breitete Ayla ihre Sachen aus. Es gab Schlafzeug für Gäste, und sie hoffte, ihre Schlaffelle während ihres Aufenthaltes hier reinigen zu können.
Plötzlich ertönte Kinderlachen. Ayla hielt den Atem an und sah in die Ecke, in der sie Wolf zurückgelassen hatte. In der Wohn-höhle herrschte absolute Stille; alle blickten angstvoll auf den Säugling, der in die Ecke gekrabbelt war und am Pelz des großen Wolfes zupfte. Ayla sah, wie Solandia erstarrte, als ihr Kind den Wolf anstieß und rupfte. Wolf wedelte nur geduldig und erfreut mit dem Schwanz.
Schließlich ging Ayla hinüber, nahm das Kind auf den Arm und brachte es zu seiner Mutter.
"Du hat recht", sagte Solandia, "dieser Wolf liebt Kinder!
Wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, hätte ich es nie geglaubt."
Nach und nach fingen alle Kinder an, mit Wolf zu spielen. Nur als der älteste Junge ihn ärgerte, nahm Wolf seine Hand zwischen die Zähne und knurrte, biß aber nicht zu. Ayla erklärte den Kindern, daß sie das Tier mit Respekt behandeln müßten.
Vor Einbruch der Dunkelheit sah Ayla noch nach den Pferden. Winnie wieherte zur Begrüßung, als sie aus der Höhle trat. Als sie zurückwieherte, drehten sich viele überrascht zu ihr um, und Renner antwortete mit noch lauterem Gewieher.
Für die Pferde war es neu, wieder mit so vielen Menschen zusammenzusein, aber Ayla beruhigte sie. Renner streckte den Hals und spitzte die Ohren, als Jondalar am Eingang der Höhle erschien, und lief dem Mann auf halbem Weg über das Feld entgegen.
Mit Schaufeln aus großen Geweihen räumten Jondalar und Ayla den hohen Schnee von der Weide an der Höhle weg, da-mit die Pferde leichter grasen konnten. Diese Tätigkeit erin-nerte Jondalar an ein Problem, das ihn schon seit einiger Zeit beschäftigte. Wie sollten sie auf ihrem Weg über die gefrorene Weite des Gletschers genügend Nahrung, Futter und, wichtiger noch, Wasser für sich, einen Wolf und zwei Pferde finden?
Später am Abend versammelten sich alle an dem großen Ze-remonienplatz, um Jondalars und Aylas Reiseabenteuern zu lauschen. Die Losadunai waren besonders an den Tieren interessiert. Aber es lag jenseits ihrer Vorstellungskraft, daß praktisch jeder ein wildes Pferd oder einen Wolf zähmen konnte. Die meisten nahmen an, daß ihre einsame Zeit im Tal der Pferde eine Periode der Prüfung und Enthaltsamkeit war, der sich viele, die sich zum Dienst der Mutter aufgerufen fühlen, unterzogen. Ihre Art, mit Tieren umzugehen, schien ihre Berufung zu bestätigen.
Doch die Losadunai waren erschüttert, als sie von den Erleb-nissen ihrer Besucher bei den S'Armunai hörten.
"Kein Wunder, daß wir während der vergangenen Jahre so wenig Besucher aus dem Osten hatten. Und du sagst, daß einer der Männer, die da gefangengehalten wurden, ein Losadunai war?" fragte Laduni.
"Ja. Ich weiß nicht, wie man ihn hier nannte, aber dort hieß er Ardemun", sagte Jondalar. "Er war verkrüppelt, konnte nicht gut gehen und sicher nicht weglaufen; daher ließ ihn Attaroa im Lager umhergehen. Er hat die Männer freigelassen."
"Ich erinnere mich an einen jungen Mann, der eine Reise unternahm", sagte eine ältere Frau. "Ich habe seinen Namen gewußt, kann mich aber nicht mehr erinnern ... er hatte einen Spitznamen ... Ardemun ... Ardi ... nein, Mardi. Er nannte sich Mardi!"
"Du meinst Menardi?" sagte ein Mann. "Ich kenne ihn von den Sommertreffen her. Er wurde Mardi genannt. Das also geschah
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