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Zyklus der Erdenkinder 05 - Ayla und der Stein des Feuers

Zyklus der Erdenkinder 05 - Ayla und der Stein des Feuers

Titel: Zyklus der Erdenkinder 05 - Ayla und der Stein des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
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Felswand einen großen Schattenriss warfen, so dass es schien, als atme dort im Dämmerlicht ein ausgewachsener männlicher Riesenhirsch mit großen Geweih schaufeln.
Die Jäger wiederholten in monotonem Singsang, im Takt der dröhnenden Trommel: »Wir rufen euch. Wir rufen euch. Wir rufen euch.«
»Gib sie uns! Vergieß keine Tränen!«
»Die Mutter will es so. Hört uns! Hört uns! Hört uns!« Die Stimmen steigerten sich nahezu bis zum Kreischen. Plötzlich strahlte ein Licht auf, und ein lauter klagender Schrei ertönte, der in einem Todesröcheln endete.
»Sie hört uns!«, verkündete die Stimme, die gesungen hatte. Plötzlich war alles still, und der Schatten des Hirsches war ver schwunden. Die ersten Sonnenstrahlen fielen auf den Platz.
Zunächst blieben alle stumm und regungslos stehen. Dann hörte Ayla, wie die Leute vernehmlich Luft holten und mit den Füßen scharrten. Die Jäger wirkten benommen und blickten um sich, als seien sie gerade aus dem Schlaf erwacht. Ayla stieß einen tiefen Seufzer aus, kniete sich nieder und schlang Wolf die Arme um den Hals. Als sie aufsah, stand Proleva vor ihr und reichte ihr einen Becher heißen Tee.
Ayla bedankte sich murmelnd und schlürfte begierig den Tee. Ihre Morgenübelkeit war mittlerweile verflogen. Wahrschein lich hatte sie schon auf dem Marsch zum Versammlungsplatz nachgelassen. Sie ging mit Jondalar, Wolf, Joharran und seiner Gefährtin zu dem Feuer hinüber, wo der heiße Tee zubereitet worden war. Marthona, Willamar und Folara gesellten sich zu ihnen.
»Kareja sagt, sie habe eine Tarnung für dich, Ayla«, sagte Joharran. »Wir können sie holen, wenn wir an der Elften Höhle vorbeikommen.«
Ayla nickte, auch wenn sie immer noch nicht recht wusste, was eine solche Tarnung war und wie man mit ihr Riesenhir sche jagte.
Sie blickte sich um, weil sie feststellen wollte, wer sonst noch an der Jagd teilnahm. Es überraschte sie nicht, dass Rushemar und Solaban dabei waren, bei denen sich Joharran immer Rat holte. Sie sah aber auch Brukeval und fragte sich, warum sie das so erstaunte. Schließlich gehörte er zur Neunten Höhle. Warum hätte er also nicht mit auf die Jagd gehen sollen? Noch verwunderter aber war sie, als sie Portula erblickte. Die Freun din Maronas starrte sie einen Augenblick lang an, errötete dann und drehte sich weg.
»Portula war wohl nicht darauf gefasst, dich in diesen Klei dern zu sehen«, flüsterte Marthona Ayla zu.
Die Sonne schickte sich an, ins blaue Himmelsgewölbe em porzusteigen, und die Jäger machten sich eilig auf den Weg und ließen diejenigen zurück, die nicht an der Jagd teilnahmen. Als sie auf den Hauptfluss zuschritten, ließ die wärmende Son ne die düstere Stimmung der Zeremonie verfliegen, und die Gespräche wurden nicht mehr flüsternd, sondern in normaler Lautstärke geführt. Man redete ernst, aber zuversichtlich über die bevorstehende Jagd. Man konnte zwar nicht sicher sein, dass sie gelingen würde, aber das vertraute Ritual hatte den Geist des Riesenhirsches - und, für alle Fälle, den des Wisents - beschworen und das Sinnen und Trachten aller auf die Jagd ausgerichtet. Die Erscheinungen, die auf der Felswand des Versammlungsplatzes zu sehen gewesen waren, hatten das spi rituelle Band mit der jenseitigen Welt gestärkt.
Die Luft war feucht vom Morgennebel, der am Wasser auf stieg. Als Ayla zur Seite blickte, verschlug ihr der wunderbare Anblick, der sich ihr bot, den Atem. In den Prismen zahlloser Tröpfchen auf Zweigen, Blättern und Grashalmen brach sich das Sonnenlicht und glitzerte und funkelte in allen Regenbo genfarben. An den dünnen klebrigen Fäden eines vollkommen symmetrischen Spinnennetzes hatten sich statt der Beute, für die sie bestimmt waren, Tautröpfchen gesammelt, die wie Schmuckstücke glänzten.
»Schau, Jondalar«, sagte Ayla. Auch Folara und Willamar blieben stehen.
»Ich nehme das als ein günstiges Vorzeichen«, sagte der Handelsmeister heiter.
Das Bett des Hauptflusses wurde breiter. Das Wasser schäumte und tanzte über die Kiesel dahin und teilte sich vor den größeren Felsbrocken, die sich nicht verlocken ließen, in dem spielerischen Tanz aus Schaumkronen und Wellengekräu sel mitzutun. An der breiten Furt wateten die ersten Jäger durch den Fluss. In der Flussmitte, wo das Wasser tiefer war, stiegen sie vorsichtig von Trittstein zu Trittstein. Einige der Steine hatten die stärkeren Strömungen, die zu anderen Zeiten des Jahres herrschten, hierher getragen. Die Lücken zwischen

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