Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
Gefährtin des verletzten Mannes das Tier wachsam beobachtete. Alle wussten von dem Wolf, und die meisten hatten ihn zumindest aus einiger Entfernung gesehen, doch nicht alle hatten gewagt, sich in seiner Nähe niederzulassen und zu essen. Außerdem hatte die Frau Ayla entgeistert angeschaut, nachdem sie gehört hatte, wie Ayla ihr Kind nannte. Selbst abgeändert klang das Wort äußerst fremd und ungewohnt.
Nachdem Jondalar mit Jonayla und Wolf gegangen war, kehrte Ayla wieder zu Zelandonis Wohnstätte zurück. »Hat sich bei Jacharal eine Besserung eingestellt?«, fragte sie.
»Ich habe nichts feststellen können«, antwortete Die, Die Die Erste Ist. Sie war froh, dass die beiden Verwandten hinausgegangen waren und sie offen reden konnte. »Manchmal hält dieser Zustand bei Verletzten eine ganze Weile an. Wenn es gelingt, ihnen Wasser und Nahrung einzuflößen, leben sie länger, aber wenn nicht, dann sterben sie innerhalb weniger Tage. Es ist, als wäre der Verstand verwirrt, der Elan weiß nicht, ob er diese Welt verlassen will, während der Mensch noch atmet, obwohl der Rest des Körpers unwiederbringlich zerstört ist. Manchmal wachen sie auf, können sich aber nicht bewegen, oder ein Teil ihres Körpers bewegt sich nicht oder verheilt nicht richtig. Gelegentlich erholen sich Menschen von einem solchen Sturz, wenn man ihnen genügend Zeit lässt, aber meistens nicht.«
»Hat er Flüssigkeit aus Nase oder Ohren verloren?«, fragte Ayla.
»Nicht, seitdem er hier ist. Er hat eine Wunde am Kopf, aber die scheint nicht sehr tief zu sein, nur ein paar oberflächliche Kratzer. Er hat sich so viele Knochen gebrochen, und ich vermute, seine eigentliche Verletzung liegt innen. Ich werde heute Nacht bei ihm wachen.«
»Ich bleibe bei dir. Jondalar hat Jonayla und Wolf mitgenommen. Die Gefährtin dieses Mannes fühlte sich offensichtlich in Wolfs Gegenwart nicht wohl«, sagte Ayla. »Ich dachte, die meisten hätten sich inzwischen an ihn gewöhnt.«
»Ich vermute, sie hatte keine Zeit, sich an deinen Wolf zu gewöhnen. Sie ist nicht von hier, ihr Name ist Amelana. Jacharals Mutter hat mir die Geschichte erzählt. Er ging auf eine Große Reise in den Süden, hat dort eine Gefährtin gefunden und ist mit ihr zurückgekehrt. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie auf dem Gebiet der Zelandonii geboren wurde oder nur in der Nähe. Die Grenzen sind nicht immer klar. Anscheinend beherrscht sie die Sprache ganz gut, wenn auch mit diesem südlichen Tonfall, ähnlich wie Beladora, Kimerans Gefährtin.«
»Wie schade, da ist sie den weiten Weg hierhergekommen und wird womöglich ihren Gefährten verlieren. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn Jondalar etwas passiert wäre, kurz nachdem wir hier angekommen waren, oder auch jetzt noch.« Ayla erschauderte bei dem Gedanken.
»Du würdest hierbleiben und eine Zelandoni werden, so wie jetzt. Du hast selbst gesagt, dass du eigentlich keinen Ort hast, an den zu zurückkehren kannst. Du würdest die lange Reise bis zu den Mamutoi nicht allein unternehmen, und bist du von ihnen nicht lediglich adoptiert worden? Hier bist du mehr als adoptiert. Du gehörst hierher. Du bist eine Zelandonii«, sagte die Frau nachdrücklich.
Ayla war ein wenig überrascht angesichts der Heftigkeit, mit der die Erste gesprochen hatte, vor allem aber freute sie sich. Die Frau gab ihr zu verstehen, dass sie erwünscht war.
Nicht am nächsten Vormittag, sondern erst in aller Frühe am Tag darauf kehrte Ayla schließlich zu ihrem Wohnplatz zurück. Die Sonne ging gerade auf, und Ayla blieb einen Moment stehen, um das Leuchten zu betrachten, das allmählich, ausgehend von einem besonders hellen Punkt, den Himmel über dem Hauptfluss durchdrang. Der Regen hatte aufgehört, aber die tief über dem Horizont hängenden Wolken zerfaserten zu dünnen Fäden aus leuchtendem Rot und Gold. Als das gleißende Licht sich über den Felswänden erhob, beschirmte Ayla ihre Augen, um die Felsformationen in ihrer Nähe wahrzunehmen und anhand der aufsteigenden Strahlung vergleichen zu können, wo die Sonne am Tag zuvor aufgegangen war.
Schon bald würde man von ihr verlangen, das Aufgehen und Untergehen der Sonne und des Mondes ein ganzes Jahr lang festzuhalten. Das Schlimmste daran sei, so hatten ihr andere aus der Zelandonia erzählt, dass man keinen Schlaf bekomme, vor allem bei der Beobachtung des Mondes, der manchmal anscheinend zuerst mitten am Tag aufging oder unterging, dann wieder mitten in der Nacht. Die Sonne ging
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