Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
Höhlenbären. Sie war sich nicht sicher, wie der Fels in die Mitte des Bodens gelangt war. Daneben lagen ein paar kleinere Brocken, weshalb sie annahm, dass sie von der Decke gefallen waren. Doch keiner der anderen Felsblöcke besaß diese geglättete, flache Oberfläche. Sie wusste nur, wie der Schädel seinen Weg auf den Fels gefunden hatte: Ein Mensch hatte ihn dorthin gelegt!
Als Ayla auf den Felsblock zuging, kamen ihr mit einem Mal Erinnerungen an den Schädel des Höhlenbären, den Creb gefunden hatte. Ein Knochen war dem Tier durch die Öffnung zwischen Augenhöhle und Wangenknochen hineingezwängt worden. Dieser Schädel hatte für den Mog-ur des Clans der Bären eine große Bedeutung, und sie fragte sich, ob ein Angehöriger des Clans in dieser Höhle gewesen sein mochte. Wenn ja, dann wäre sie für den Clan bestimmt sehr wichtig gewesen. Die Alten, von denen die Bilder in der Höhle stammten, waren mit Sicherheit Menschen wie sie. Der Clan malte keine Bilder, aber sie hätten einen Schädel an einem bestimmten Ort platzieren können. Und der Clan wäre zur selben Zeit hier gewesen wie die Maler der Vorzeit. Konnte es sein, dass sie in dieser Höhle gewesen waren?
Sie trat noch näher heran und betrachtete den Schädel des Höhlenbären. Die beiden riesigen Fangzähne ragten über den Rand, und im Grunde ihres Herzens glaubte Ayla, dass der Vorfahre, der ihn dorthin gelegt hatte, zum Clan gehörte. Jondalar hatte gesehen, wie aufgewühlt sie war, und ging zur Mitte des Raumes. Als er an den Stein kam und den Schädel des Höhlenbären darauf sah, verstand er ihre Reaktion.
»Ist alles in Ordnung, Ayla?«, fragte er.
»Diese Höhle hätte dem Clan so viel bedeutet«, sagte sie. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie von ihr gewusst haben. Vielleicht ist sie noch immer in ihrem Gedächtnis.«
Die anderen hatten sich inzwischen ebenfalls um den Stein mit dem Schädel versammelt.
»Wie ich sehe, hast du den Schädel gefunden. Ich wollte ihn dir zeigen«, sagte die Wächterin.
»Kommen Leute aus dem Clan hierher?«, fragte Ayla.
»Leute aus dem Clan?«, wiederholte die Wächterin stirnrunzelnd.
»Die, die ihr Flachschädel nennt«, erklärte Ayla.
»Seltsam, dass du danach fragst. In der Tat sehen wir Flachschädel hier in der Gegend, für gewöhnlich aber nur zu bestimmten Jahreszeiten. Sie jagen den Kindern Angst ein, aber wir sind zu einem gewissen Einvernehmen gekommen, falls man überhaupt eine Übereinkunft mit Tieren schließen kann. Sie halten sich von uns fern, und wir stören sie nicht, wenn sie nur in die Höhle gehen wollen.«
»Zunächst möchte ich dir sagen, dass sie keine Tiere sind, sondern Menschen. Der Höhlenbär ist ihr wichtigstes Totem, sie nennen sich Clan des Höhlenbären.«
»Wie können sie sich einen Namen geben, wenn sie nicht sprechen?«, wollte die Wächterin wissen.
»Sie sprechen - nur nicht so wie wir. Sie benutzen ein paar Wörter, aber hauptsächlich sprechen sie mit den Händen.«
»Wie spricht man mit den Händen?«
»Sie machen Gesten, Bewegungen mit Händen und Körper.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Ich werde es dir zeigen.« Ayla reichte Jondalar ihre Fackel. »Das nächste Mal, wenn du jemandem aus dem Clan begegnest, der in diese Höhle will, könntest du Folgendes sagen.« Dann sprach sie die Worte zu ihren Gesten aus. »Ich möchte dich begrüßen, und ich möchte dir sagen, dass du diese Höhle, die Heimat von Höhlenbären, gern besuchen darfst.«
»Diese Bewegungen, dieses Wedeln mit den Händen, bedeuten das, was du gesagt hast?«, fragte die Wächterin.
»Ich habe vielen in der Neunten Höhle und unserer Zelandonia ein paar grundlegende Zeichen beigebracht«, sagte Ayla, »damit sie auf ihren Reisen Kontakt mit Leuten vom Clan aufnehmen können, wenn sie ihnen begegnen. Ich würde auch dir gern ein paar Zeichen zeigen, aber es ist wahrscheinlich besser, wenn wir warten, bis wir aus der Höhle heraus sind und mehr Licht haben.«
»Ich würde gern mehr darüber erfahren, aber woher weißt du so viel?«, fragte die Wächterin.
»Ich habe bei ihnen gelebt. Sie haben mich großgezogen.
Meine Mutter und alle, mit denen sie zusammen war, meine Leute, vermute ich, sind bei einem Erdbeben ums Leben gekommen. Ich blieb allein zurück. Ich bin allein umhergezogen, bis der Clan mich fand und bei sich aufnahm. Sie haben mich behütet, haben mich geliebt, und ich habe sie auch geliebt.«
»Du weißt nicht, wer deine Leute sind?«, fragte die Wächterin.
»Meine Leute
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