Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
sehen.
Die letzte Wandzeichnung in der Passage befand sich kurz vor der letzten großen Stufe. Zur Rechten waren vier Nashörner zu sehen, teils gezeichnet, teils eingeritzt. Das eine war nur schwer auszumachen, zwei waren ziemlich klein und hatten schwarze Streifen rings um den Bauch sowie die typischen Ohren. Das letzte war viel größer, aber unvollständig. Einen großen Steinbock, zu erkennen an den Hörnern, die fast über die gesamte Körperlänge nach hinten gebogen waren, konnte man in schwarzer Farbe auf einem hängenden Felsen ausmachen, der die Gruppe von seiner hohen Warte aus überschaute. Auf der linken Seite war die Wand abgekratzt worden, um sie für mehrere Tiere vorzubereiten - sechs vollständige Pferde oder Teilansichten, zwei Wisente und zwei Riesenhirsche, einer davon komplett, zwei kleine Nashörner und mehrere Linien und Markierungen.
Dann folgte die größte Stufe nach unten: eine fünf Meter lange Strecke aus unebenen, durch fließendes Wasser entstandene Terrassen und Vertiefungen im lehmigen Boden, in den große Bärenkuhlen gegraben waren. Jondalar, Jonokol, Willamar und Ayla halfen der Ersten gemeinsam hinunter. Felsen ragten von der Decke, deren feine, helle Oberflächen das Licht der Fackeln reflektierten, doch sie waren nicht bemalt. Die rechte Wand hatte nur sehr wenige Kunstwerke aufzuweisen, aber immerhin etwas.
Die Wächterin begann wieder zu summen, und die Erste stimmte ein, dann Jonokol. Ayla wartete. Sie stellten sich zunächst vor die rechte Wand, doch aus einem unerfindlichen Grund war das Echo nicht gut. Auf einer Wandzeichnung waren drei schwarze Nashörner zu sehen, eines davon vollständig ausgeführt mit einem schwarzen Streifen um die Mitte, ein anderes in Umrissen, und ein drittes bestand nur aus einem Kopf. Dazu kamen drei Löwen, ein Bär, der Kopf eines Wisents und eine Vulva. Ayla hatte das Gefühl, als erzählten sie eine Geschichte, vielleicht über Frauen, und sie hätte gern erfahren, worum es ging. Sie drehten sich um und schauten zur linken Wand. Jetzt sang die Höhle zurück.
Auf den ersten, flüchtigen Blick schien die linke Wand zunächst in drei Hauptabschnitte aufgeteilt zu sein. Ganz zu Anfang sahen sie drei Löwen nebeneinander, die nach rechts schauten, perspektivisch dargestellt durch die Rückenlinie.
Der größte und am weitesten entfernte hatte eine Länge von zweieinhalb Metern, war in Schwarz gemalt, und da er seinen Hodensack zeigte, gab es keinen Zweifel an seinem Geschlecht. Der mittlere war nur als roter Umriss und ebenfalls eindeutig als Männchen zu erkennen. Das vorderste Tier war kleiner und weiblich. Beim Betrachten der Zeichnung war Ayla sich über den mittleren Löwen nicht im Klaren. Es fehlte ein dritter Kopf, und sein Körperumriss war vielleicht nur aus perspektivischen Gründen eingefügt, so dass es sich tatsächlich nur um ein Löwenpaar handelte. Trotz der Schlichtheit waren die Umrisse sehr ausdrucksstark. Über den Rücken konnte sie schwach drei mit Fingern eingeritzte Mammuts erkennen. In diesem Teil der Höhle herrschten Löwen vor. Rechts von den Löwen war ein Nashorn, und zur Rechten dieses Tieres gab es drei weitere Löwen, die nach links offenbar zu den anderen Löwen und den beiden Nashörnern schauten, was dem Bild ein gewisses Gleichgewicht verlieh.
Der nächste Abschnitt wurde in der Mitte durch eine Nische unterbrochen. Die linke Seite wurde von verblassten roten Löwen und Punkten dominiert, die von schwarzen Löwen überlagert wurden. Darauf folgte ein Wollnashorn mit zahlreichen perspektivisch dargestellten Hörnern - acht insgesamt -, so dass der Eindruck entstand, es würden acht Nashörner nebeneinanderstehen. In die Nische selbst war ein Pferd gemalt, darüber zwei schwarze Nashörner, ein Mammut sowie Andeutungen von Tieren, die aus den Tiefen der Felsen aufzutauchen schienen.
Der Abschnitt rechts von der Nische wies hauptsächlich zwei Tierarten auf, Löwen und Wisente; die Löwen jagten die Wisente. Die Wisente waren links zu einer Herde zusammengedrängt, und die Raubkatzen strebten von rechts auf sie zu, als warteten sie auf ein Zeichen, um zuschlagen zu können. Für Ayla war dies die eindrucksvollste Kammer in der ganzen Höhle. Es gab so viel, sie konnte gar nicht alles in sich aufnehmen, auch wenn sie es noch so sehr wollte. Das große Wandbild endete an einem Wulst, der so etwas wie eine zweite, flache Nische bildete, in die ein vollständiges schwarzes Wollnashorn gezeichnet war. Auf der
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