Angstlust oder »thrill« bezeichnet (Balint, 2000). Angstlust entsteht durch das Bewußtsein einer realen äußeren Gefahr, der sich der Mensch willentlich in der Hoffnung aussetzt, die Gefahr durchstehen und die damit verbundene Furcht beherrschen zu können. Er vertraut darauf, nach der Gefahr wieder unverletzt in die sichere Geborgenheit zurückkehren zu können. Vereinfacht: Angstlust entsteht beim Aufgeben und Wiedererlangen von Sicherheit. Nahezu alle Menschen haben schon als Kinder Angstlust erlebt – etwa beim Versteckspielen mit Erwachsenen, die einen partout nicht finden wollten, beim Kasperletheater, wenn Kasper das anrückende Krokodil trotz lautstarker Warnungen aus dem Publikum nicht bemerkt, beim Erzählen von Gespenstergeschichten am Lagerfeuer und der anschließenden Nachtwanderung. Auch Erwachsene, jüngere mehr als ältere, genießen noch die Spannung, die das gleichzeitige Erleben von Gefahr und Geborgenheit, von Bedrohung und Rettung verursacht.
In diesem Zusammenhang ist der Suspense-Effekt anzuführen, bei dem der Held eines Films oder einer Sendung allerlei Gefahren ausgesetzt ist, von denen er noch nichts, der Zuschauer aber so ziemlich alles weiß. Übersteht er die Gefahr und gewinnt er am Ende noch das Herz der Schönen oder wenigstens einen ordentlichen Schatz, so löst dies am Ende auch Freude beim Betrachter aus. Die Kombination von vorhersagbarem gutem Ende und überraschenden, bedrohlichen Einschüben macht Sendungen dieser Art auch für Kinder attraktiv. Auch einfache Spannungs-Entspannungseffekte wie etwa bei einer Quizsendung oder bei einem Fußballspiel haben diese emotionale Wirkung.
Aber auch jeder »thriller« ist eine ständige Quelle solcher Gefühle. Und viele Zuschauer sagen, daß sie gerade solche Filme gerne sehen: »Oh, ich liebe Horrorfilme im TV ... Ich liebe es, wenn mir Angst gemacht wird. Wenn ich Angst habe« Qanet, 31; vgl. Taylor & Mullan, 1986, S. 54, eigene Übersetzung): Sogar extreme Horrorfilme wie Freitag, der Dreizehnte werden von Versuchspersonen gleichzeitig als quälend und unterhaltsam eingeschätzt (Zillmann et al., 1986). Zuschauer mögen Horror und vor allem die nachfolgende Entspannung durch ein »Happy end« – also das Aufgeben und Wiedererlangen von Sicherheit. Dabei erleben Männer stärker die Lust-, Frauen eher die Angstanteile. Auf zuviel Angst reagieren Kinder zunächst mit kognitiven Strategien, sie erinnern sich selbst daran, daß es sich um einen Film oder dgl. handelt. Es folgen physische Interventionen wie Wegsehen und erst dann Fluchtreaktionen, wie das Programm wechseln oder den Raum verlassen (Valkenburg et al., 2000).
Für die (stärkere) Lustkomponente der Angstlust sehen sich Zuschauer also Sendungen an, deren angstevozierendes Potential alleine sie normalerweise zu einem anderen Genre oder Sender bringen würde. Es gibt aber noch andere Sendungen mit angstauslösenden Inhalten. Gemeint sind die Nachrichtensendungen. Nicht alle Zuschauer mögen sich deswegen TV-Nachrichten noch antun, und diejenigen, die es wegen anderer Sehmotive (wie etwa dem Wunsch nach aktueller Information) dennoch tun, erleben sehr gemischte Gefühle. Dies zeigte sich sehr deutlich in einer von uns mit 13- bis 18jährigen Schülern durchgeführten Untersuchung (vgl. dazu Unz et al., 2002). Wir zeigten unseren Versuchspersonen ein Videoband mit gewaltfreien und gewalthaltigen Nachrichtenbeiträgen und zeichneten ihre Mimik während dessen Betrachtung auf. Die spätere Analyse der Gesichtsausdrücke zeigte, daß Zuschauer bei gewalthaltigen Themen mehr Emotionen zeigten als bei gewaltfreien und daß Verachtung, Wut und Ekel die am häufigsten gezeigten Emotionen waren. Intentionale Gewalt in Nachrichten ist also sicherlich aktivierend, zugleich aber auch verachtungs-, wut- und ekelerregend. Wir sehen darin eine Gefühlsmischung, die man als eine Art von sozialer Abstoßungsreaktion bezeichnen kann: In der Distanzierung stabilisiert der Zuschauer sein durch reale Gewaltdarstellungen bedrohtes Ich. »Weg von« heißt immer auch »Ohne mich«.
Es zeigt sich in beiden Fällen, daß der Zuschauer auch auf der dunklen, der »Unlust«-Seite von Gefühlen aktives Gefühlsmanagement betreibt. Bei Thrillern besteht der persönliche Nutzen im Aushalten der Angst, bei Nachrichten darüber hinaus im Eindruck von Informiertsein. Wechseln wir nunmehr von der Unlust- zur Lust-Seite der Gefühle, wenngleich positive emotionale Reaktionen beim Fernsehen
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