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Titel: Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Pan
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Gesellschaft: Wo immer Medienfiguren oder andere, für die Medien interessante Menschen gewaltsam zu Tode gekommen sind, entstehen spontan solche Wallfahrtsorte. TV-Journalisten und betroffene Bürger können so für ein paar Tage gemeinsam ihre Trauer mediengerecht in Szene setzen.
    Szenenwechsel: Eine Kleinstadt in Oberitalien. Zwanzigtausend glückliche Menschen mit roten Hemden und roten Fahnen feiern auf der Straße. Ein KP-Funktionär aus China könnte denken, die kommunistische Partei Italiens habe überraschend eine Wahl gewonnen. Gefeiert wird jedoch etwas ganz anderes, nämlich, daß ein gelernter Kfz-Mechaniker aus Kerpen in einem Auto schneller in Kreisen herumfahren kann als andere Autofahrer: Der Mann heißt Michael Schumacher, die Autos stammen von der Firma Ferrari. Fahrer und Marke sind 2002 Weltmeister in der Formel 1 des Autorennsports geworden. Das letzte Rennen in Suzuki wurde im Fernsehen übertragen, nach seinem Sieg fanden sich die Menschen spontan vor den Toren der Automobilfabrik in Maranello zu einer gemeinsamen Jubelfeier ein. Die roten Fahnen sind die Banner der Firma Ferrari, sie hängen auch in Deutschland aus vielen Fenstern. Ob Fußball, Motorsport oder Leichtathletik, Fahnen, Autokorsi und fröhliche Menschen sind inzwischen fester Bestandteil der Jubelrituale auch im kleinsten bayerischen Dorf, wenn es denn gilt, den hier ansässigen Weltmeister im Eisstockschießen zu begrüßen.
    Personalisierung und Emotionalisierung, John Lennon und Michael Schumacher, Trauer und Jubel – beide Male zeigt sich, wie Medien die Gefühle von Menschen beeinflussen. Was aber sagt die Forschung dazu, über diese Beispiele hinaus? Nach den TV-Nutzungsdaten und den TV-Sendungsinhalten muß also noch ein dritter Schritt in der Argumentationskette über den neuen, histrionischen Sozialcharakter erfolgen, die Frage nach den TV-Wirkungen. Wir beginnen mit den Gefühlen, es folgen in weiteren Kapiteln das Denken und das Verhalten der Zuschauer.
    Natürlich erzeugen die Ermordung oder der Sieg eines Menschen in einem sportlichen Wettbewerb auch ohne mediale Beteiligung nachhaltige Gefühle. Diese sind aber auf eine geringere Anzahl von Menschen, auf die Beteiligten und die Augenzeugen, beschränkt. Erst die audiovisuellen Medien stecken auch weit entfernte Zuschauer affektiv an. Aber es sind nicht nur die großen Gefühle, Fernsehen ist ein Stimulator für nahezu alle Varianten emotionaler Befindlichkeit.
    Da ist zunächst das emotionale Kleingeld, die Stimmungen (vgl. zum Folgenden Parkinson et al., 1996). Sie sind Dauertönungen des Erlebens, im allgemeinen schwächer und weniger variabel, aber länger andauernd als Emotionen. Anders als diese haben Stimmungen meist keinen klaren Bezug zum Auslöser, sie sind so etwas wie die Großwetterlage des Befindens.
    Ausgelöst werden sie einerseits durch Alltagsärgernisse wie Streitigkeiten, Arbeitsanforderungen, finanzielle und gesundheitliche Probleme oder die Organisation häuslicher Pflichten. Glücklicherweise gibt es dabei aber einen »Rückpralleffekt«: Schlechte Stimmung an einem Tag wirkt sich positiv auf die Stimmungslage des nächsten aus. Andererseits führen Alltagsfreuden, wie emotionale Zuwendung durch Dritte, berufliche und private Erfolge oder unerwartete Geschenke, zu guter Stimmung. Ist man gut gelaunt, gibt es keinen Rückpralleffekt, man hat sogar noch einen Puffer gegen Stimmungsverschlechterungen. Aber auch die Tageszeit, der Wochentag und das Wetter beeinflussen die Stimmungslage. So sind jüngere Erwachsene abends, ältere Erwachsene morgens besser gelaunt. Alle zusammen haben an Frei- wie Samstagen bessere Stimmung als an Montagen und Dienstagen, und bei gutem Wetter fühlen sie sich besser als bei schlechtem. Will man also einen älteren Vorgesetzten um eine Gehaltserhöhung angehen, so empfiehlt es sich, ihn an einem sonnigen Freitagmorgen darum zu bitten. Ist man zusätzlich an einem Rendezvous mit dessen Tochter interessiert, so sollte man sie gleich noch am späten Nachmittag des gleichen (und hoffentlich noch sonnigen) Tages ansprechen.
    Für das Fernsehen ist ein Effekt besonders wichtig, die Ansteckung von Stimmungen: Die Stimmung eines Menschen löst eine identische Stimmung bei seinem Interaktionspartner aus. Zwischen Menschen, die länger miteinander zu tun haben, entwickelt sich dadurch eine synchron verlaufende Stimmungskurve. Hat der eine gute Laune, folgt der andere nach – und umgekehrt. Problematisch wird es, wenn sich

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