Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Titel: Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
selbst in lohfarbene Hosen und eine Holzfällerjacke. Das mindeste, was sie tun konnte, war, in diesen vermeintlichen Nebensächlichkeiten, die sich so oft als bedeutsam erwiesen, zu kooperieren. Die Kinder waren bereits als Pioniere verkleidet.
    Als Melvin wieder erschien, stellte er sie natürlich alle in den Schatten. Ein flüchtiger Betrachter hätte ihn kaum von Wild Bill Hickock unterscheiden können, vor allem da Melvin sein Freizeitzubehör meist in den Staaten oder in Toronto kaufte.
    Es war gar keine Frage, daß sie nirgendwo anders als in den Wald aufbrachen, denn für alles andere wäre ein Fahrzeug erforderlich gewesen. Den Kindern war es gestattet worden, den Schulweg hin und zurück zu laufen, weil Noelle sich durchgesetzt und die Verpflichtung abgelehnt hattte, sie viermal am Tag eine so kurze Strecke zu fahren, was immer die anderen Mütter auch tun oder vorbringen mochten. Melvin wiederum setzte sich durch, wenn es sich um mögliche Autobahngebühren bei sonstigen Fahrten handelte.
    »Denk dran, es könnte regnen«, sagte Melvin nun.
    Naturgemäß hatten sich in Noelle von Anfang an gewisse Bedenken geregt, und als sie sich zwischen den Silberbirken befanden, frohlockte sie, daß sie zumindest so anders angezogen war, fast verkleidet. Darüber wirkten die Wälder immer vollkommen anders, wenn man mit der gesamten Familie unterwegs war. Es spielten sich verblüffend andere Dinge ab, wenn man seine Familie dabeihatte, als bei Ausflügen ohne sie. Diese Tatsache machte den Wechsel von dem einen zum anderen Zustand stets so aufregend.
    »Paßt auf, gleich werden wir einen Büffel sehen«, sagte Melvin zu den Kindern. Agnew jauchzte vor Entzücken, aber Judith verhakte die Finger im Gürtel und machte ein zynisches Gesicht.
    »Hast du dein Lasso, mein Sohn?« fragte Melvin.
    Agnew schwang es über seinem Kopf und begann zwischen den knorrigen Baumwurzeln herumzutollen. Judith setzte sich ebenfalls in Bewegung, wobei sie die Hände nach vorn über den Kopf hob und in kurzen Abständen zusammenklatschte, als jage sie Schmetterlinge, was nicht der Fall war. Es gab keine Schmetterlinge. Es gab nie viele davon.
    »Ich bin fertig mit der Welt«, sagte Melvin leise zu Noelle, als die beiden Kinder sich in vermeintlich sicherer Entfernung befanden, so kurz diese in Wirklichkeit auch war. »Ich bin völlig ausgepumpt.« Im Kreis seiner Familie pflegte Melvin sich bodenständig, hausbacken auszudrücken. Er verwandte nie dieselbe Sprache wie bei seiner Arbeit.
    »Du siehst ein bißchen blaß aus«, sagte Noelle, ohne sich zu ihm umzudrehen. Sie hatte es bereits bei seiner Rückkehr aus Johannesburg am vorvergangenen Tag bemerkt. Dabei wollte keine Art von Blässe zu seiner Rancharbeiter-Aufmachung passen.
    »Ich weiß nicht, was ich tun soll, Noelle«, fuhr er fort. Sie hatte niemals eine Verkürzung oder Verdrehung ihres Vornamens oder einen Kosenamen geduldet. »Mein Kopf fühlt sich an, als ob er zerspringen wollte. Es geht mir immer schlechter seit dieser Pleite in Edmonton im Februar.«
    Noelle hatte den Eindruck, daß Melvin öfter nach Edmonton reiste als irgendwohin sonst und daß das immer wieder zu Schwierigkeiten führte, obwohl es bei jenem letzten Mal zweifellos am schlimmsten gewesen war, weil Melvin seitdem immer wieder, vor Wut und Verstörung bebend, davon gesprochen hatte. Edmonton in Alberta natürlich, nicht das heimelige Edmonton von John Gilpin.
    »Du solltest eine Ruhepause einlegen«, sagte Noelle. »Das werden wir uns wohl leisten können.«
    »Kommt nicht in Frage«, entgegnete Melvin mit, wie es Noelle vorkam, übermäßiger Düsterkeit in der Stimme. Er hatte Noelle nie gestattet, sich auch nur nach einer Teilzeitarbeit umzusehen. Das gehörte zu den Dingen, von denen sie nicht wußte, ob sie sich nun darüber freuen oder grämen sollte. Sie wußte, daß sie nicht gerade mit besonderen Qualifikationen aufwarten konnte.
    »Ich kann keinen einzigen Tag aussetzen«, sagte Melvin. »Ich würde sofort gefeuert. Gib dich da keiner Illusion hin.«
    Sie nahm an, daß er damit wohl recht hatte. Viele ihrer hiesigen Bekannten waren mit Männern verheiratet, die man für entbehrlich erklärt hatte, wie es Brauch geworden war.
    Die Angelegenheit erhielt für den Augenblick Aufschub, als Agnew zu Boden stürzte, Füße und Beine in sein Lasso verstrickt, als wäre er ein Jungstier.
    Noelle brachte ihn wieder auf die Beine. Sie hatte die Geistesgegenwart langer Erfahrung, wie ein Akrobat oder ein

Weitere Kostenlose Bücher