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Titel: Kostenlos Bücher Online Lesen
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aufkündigen«, sprach das Mädchen mit seinem ausländischen Akzent, aber es hörte sich an, als meine sie genau das Gegenteil.
    Ich riskierte ein wenig mehr Offenheit. »Ich könnte meine Verabredung verschieben«, sagte ich, »aber, um ehrlich zu sein, auf das übrige Publikum gestern abend hätte ich verzichten können. Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, wenn ich das sage.«
    »Daraus mache ich Ihnen keinen Vorwurf«, sagte der Mann trocken und zu meiner Erleichterung.
    »Was würden Sie von einer Privatvorstellung halten? Nur für Sie?«
    Er sagte das so ruhig, als sei es das Selbstverständlichste von der Welt oder als sei ich Charles Clore.
    Ich war so verblüfft, daß ich herausplatzte: »Wie? Ich allein in dem Zelt?«
    »Ich dachte eher an Ihr Zuhause«, sagte der Mann in dem gleichen ganz und gar beiläufigen Tonfall und trank geräuschvoll einen Schluck aus seiner rosa Steinguttasse. Während er sprach, hatte das Mädchen mir einen kurzen, durchdringenden Blick zugeworfen; es schien buchstäblich, als verflüssige sie mein Inneres zu Wasser. Und absurderweise kam genau in diesem Augenblick meine lächerliche Pastete mit Salatbeilage und der Sauce. Es war idiotisch von mir gewesen, überhaupt etwas zu essen zu bestellen, so sehr ich dessen theoretisch auch bedurft hätte.
    »Mit den Schwertern oder ohne«, fuhr der Mann fort, wobei er sich eine billige Zigarette ansteckte. »Madonna hat gelernt, all ihre Wünsche zu erfüllen. Was immer Ihnen in den Sinn kommt.« Das Mädchen starrte in seine Tasse.
    Ich wagte es, sie direkt anzusprechen. »Ist Ihr Name wirklich Madonna? Ich finde ihn hübsch.«
    »Nein«, sagte sie mit ziemlich leiser Stimme. »Nicht mein richtiger. Es ist mein Künstlername.« Sie wandte mir einen Augenblick lang ihr Gesicht zu, und erneut trafen sich unsere Blicke.
    »Es ist nichts dabei. Wir sind nicht katholisch«, warf der Mann ein. »Allerdings war’s Madonna mal.«
    »Mir gefällt es«, sagte ich. Ich fragte mich, was ich mit der Pastete anfangen sollte. Ich würde sie beim besten Willen nicht runter kriegen.
    »Natürlich würde eine Privatvorstellung etwas mehr kosten als zwei Schilling«, sagte der Mann. »Aber es wäre nur für Sie, und unter diesen Umständen würde Madonna alles machen, wozu Sie Lust haben.«
    Mir fiel auf, daß er genauso sprach wie in dem Zelt: den Blick nicht auf mich oder überhaupt jemanden, sondern in die Ferne gerichtet, als wiederhole er Worte, die er schon tausendfach ausgesprochen hatte und gründlich leid war, aber erzwungenermaßen weiter benutzte.
    Ich war drauf und dran, ihm zu sagen, daß ich kein Geld hatte, was in etwa auch zutraf, aber ich ließ es.
    »Und wann ginge das?« fragte ich.
    »Heute abend, wenn Sie wollen«, entgegnete der Mann. »Gleich nach der regulären Show, was nicht sehr spät sein wird, weil wir in dieser Jahreszeit keine Zehn- oder Elf-Uhr-Vorstellung geben. Madonna könnte ohne weiteres um Viertel vor Zehn bei Ihnen sein. Und sie müßte sich nicht einmal beeilen, wenn es keine Spätvorstellung gibt. Es wäre Zeit genug, ein paar ihrer Neuheiten vorzuführen, wenn Sie daran interessiert sind. Stücke aus ihrem Repertoire, wie wir sagen. Ist bei Ihnen übrigens ausreichend Platz vorhanden? Madonna braucht nicht viel. Nur ein Zimmer mit einem Türschloß, damit keine ungebetenen Gäste hereinkommen, und eine Möglichkeit zum Hände waschen.«
    »Ja«, sagte ich. »Meine jetzige Unterkunft würde sich schon eignen. Sie könnte allerdings heller und etwas ruhiger sein, wenn es nach mir ginge.« Madonna warf mir wieder einen ihrer unbeschreiblich süßen Blicke zu. »Das wird mir nichts ausmachen«, sagte sie sanft.
    Ich notierte meine Adresse auf den Rand einer Zeitung, die auf meinem Platz gelegen hatte, und riß sie aus.
    »Sagen wir zehn Pfund?« fragte der Mann, der mich jetzt aus seinen kleinen Augen ansah. »Normalerweise verlange ich zwanzig, manchmal fünfzig, aber wir sind hier in Wolverhampton und nicht an der Costa Brava, und Sie sind einer von den besseren Herrn.«
    »Wie kommen Sie denn darauf?« fragte ich, in erster Linie, weil ich Zeit brauchte, um das Geldproblem zu überdenken.
    »Das war mir schon klar, als ich gesehen habe, wo Sie sich letzte Nacht hingesetzt haben. So ziemlich in jeder Show gibt es einen, der sich diesen Platz aussucht. Es ist der Sonderplatz für die besseren Herrn. Ich habe mir abgewöhnt, sie aufzurufen, weil es nicht das ist, was sie wollen. Sie sind dafür zu kultiviert, und

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