verdreht, wie ich war, das erstbeste Lokal.
Und mittendrin saß, ob man es nun glaubt oder nicht, an einem Resopaltisch mein Mädchen mit dem grünen Puder, neben ihr der Seemann oder Conferencier, der mehr denn je wie ein heruntergekommener Boxer aussah.
Ich hatte nicht ernsthaft erwartet, das Mädchen jemals wiederzusehen. Das war, so glaubte ich, keines von den Dingen, die wirklich vorkommen. Im äußersten Fall hätte ich vielleicht noch einmal die bizarre Show besucht, aber andererseits glaube ich nicht, daß es wirklich soweit gekommen wäre, wenn ich mir noch einmal vor Augen führte, worum es dabei gegangen war.
Das Mädchen hatte den grünen Puder entfernt und trug eine schwarze Jacke, einen schwarzen Rock und eine weiße Bluse, eine Kombination, die vielleicht zu einer älteren Frau gepaßt hätte, und dieselben Netzstrümpfe. Der Mann war gekleidet wie am Vorabend, außer daß er statt der schmutzigen Strandschuhe schwere Stiefel trug, schwer und schlammverkrustet, als sei er durch Ackerland marschiert.
Obwohl es Mittagszeit war, war das Lokal fast leer. Ein Dutzend Tische war frei, und die beiden saßen in der Mitte des Raumes. Fast wäre ich wieder hinausgegangen. Aber dazu blieb mir keine Zeit. Der Mann im Pullover erkannte mich sofort. Er stand auf und winkte mir mit seinem kräftigen Arm zu. »Setzen Sie sich zu uns!« Das Mädchen war ebenfalls aufgestanden.
Mir blieb nichts anderes übrig, als seiner Aufforderung Folge zu leisten. Der Mann bot mir einen Stuhl an (alle in unterschiedlichen hellen Farben gestrichen und mit neuen Kunstlederbespannungen), auch das Mädchen wartete, bis ich Platz genommen hatte, bevor es sich wieder setzte.
»Schade, daß Sie gestern abend das Ende der Show verpaßt haben«, sagte der Mann.
»Ich mußte zurück zu meiner Unterkunft; das ist mir ganz plötzlich eingefallen.« Die Worte gingen mir rasch von den Lippen. »Ich bin fremd in der Stadt«, fügte ich hinzu.
»Es ist manchmal schwierig, wenn man fremd ist«, sagte der Mann. »Was trinken Sie?«
Er redete, als säßen wir in einem Schanklokal, aber das war augenscheinlich nicht der Fall, also zögerte ich.
»Tee oder Kaffee?«
»Tee, bitte«, sagte ich.
»Bedienung, noch einen Tee«, rief der Mann. Ich sah, daß die beiden Kaffee tranken, aber mir gefiel der Anblick ebensowenig wie sonst.
»Ich würde auch gern etwas essen«, sagte ich, als die Kellnerin den Tee brachte. »Vielen Dank«, fügte ich an den Mann gerichtet hinzu.
»Sandwich mit Schinken, Roastbeef oder Luncheon Meat. Fleischpastete, Wurstpastete«, zählte die Kellnerin auf. Sie hatte ein böses Gerstenkorn am linken, unteren Augenlid. »Ich nehme die Fleischpastete«, sagte ich, und nach der üblichen Wartezeit brachte sie mir die Pastete, Salat und die Saucenflasche. Eigentlich brauchte ich etwas Warmes, aber nun war es zu spät.
»Kommen Sie heute abend wieder«, sagte der Mann.
»Ich weiß nicht, ob ich kann.«
Ich hatte schon Schwierigkeiten damit, meinen Tee anständig zu trinken, da meine Hände stark zitterten, und konnte mir erst recht nicht vorstellen, wie ich mit einer kalten Pastete zurechtkommen sollte.
»Kommen Sie in die Vorstellung, wenn Sie mögen. Sie haben gestern abend Ihren Auftritt verpaßt.«
Das Mädchen, das bis dahin dem anderen das Reden überlassen hatte, schenkte mir ein außerordentlich reizendes und persönliches Lächeln, als gäbe es zwischen uns etwas ganz Besonderes. Ihre weiße Bluse war tief ausgeschnitten, so daß ich mehr sah, als mir zustand – obwohl sich die Zeiten gegenüber früher ja schon ziemlich geändert haben. Auch ohne den grünen Puder war sie ein sehr blasses Mädchen, und ihr Leib schien noch weißer zu sein als ihr Gesicht, fast so weiß wie ihre Bluse. Ich konnte jetzt auch die Farbe ihrer Augen erkennen. Sie waren grün. Irgendwie hatte ich das längst gewußt.
»Wie auch immer«, fuhr der Mann fort, »es wird kaum einen Unterschied machen, so wie das Geschäft läuft.«
Das Mädchen sah ihn an, als überrasche sie eine so persönliche Äußerung, sah dann wieder mich an und sagte: »Komm doch.« Sie sagte es auf die herzlichste, zarteste Weise, als würde ihr wirklich daran liegen. Außerdem schien sie einen ausländischen Akzent zu haben, der sie vielleicht noch anziehender machte. Sie nahm einen kleinen Schluck Kaffee.
»Ich habe eine Verabredung, die ich vielleicht nicht absagen kann. Ich weiß es noch nicht.«
»Du sollst nicht unseretwegen eine Verabredung
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