ich respektiere das. Sie gehen oft vor Schluß – genau wie Sie. Aber ich bin immer froh, wenn welche dabei sind. Sie heben den Durchschnitt. Außerdem sind sie oft diejenigen, die, genau wie Sie, an einer Privatvorstellung interessiert und bereit sind, dafür auch zu zahlen. Ich muß schließlich auch die geschäftliche Seite im Auge haben.«
»Ich habe keine zehn Pfund zur Hand«, sagte ich, »aber ich denke, ich kann sie auftreiben, und wenn ich dafür singen müßte.«
»Das muß man oft auf dieser Welt«, sagte der Mann. »Zumindest wenn man Gefallen an schönen Dingen hat.«
»Du hast noch den größten Teil des Tages vor dir«, sagte das Mädchen und lächelte aufmunternd.
»Wollen Sie noch einen Tee?« fragte der Mann.
»Nein, vielen Dank.«
»Bestimmt nicht?«
»Bestimmt nicht.«
»Dann müssen wir aufbrechen. Wir haben eine Nachmittagsshow, allerdings wohl nur für ein paar Halbwüchsige. Ich werde Madonna veranlassen, sich für den Privatbesuch heute abend so weit wie möglich zu schonen.«
Als sie hinausgingen, warf mir das Mädchen auf der Türschwelle einen Blick über die Schulter zu – warm und geheimnisvoll. Aber beim Gehen wirkte ihre Kleidung zu groß für sie, der Rock zu lang, das Jackett und die Bluse zu weit, hingen die Kleider an ihr herab, als seien es gar nicht die ihren. Vor allem tat sie mir leid. Was immer hinter dem letzten Abend steckte, ihr Leben war bestimmt nicht einfach.
Sie waren beide zu höflich gewesen, meine Pastete zu erwähnen. Ich stopfte sie in meinen Diplomatenkoffer (selbstverständlich ohne den Salat), bezahlte und machte mich auf den Weg zu meinem nächsten Termin, der mich, wie sich herausstellte, wieder einmal zum anderen Ende der Stadt führte.
Ich mußte nichts Ehrenrühriges tun, um an das Geld zu kommen.
Es war kaum zu erwarten, daß ich an diesem Nachmittag ganz bei der Sache sein würde, aber ich blieb am Ball, so gut ich konnte, immer mit dem Gefühl, daß mein Leben in unruhige Gewässer geriet und daß ich, solange wie möglich, besser ein Stück Land in Sichtweite behalten sollte.
Es war schon in Ordnung, daß ich meine Geschäftstermine korrekt einhielt, denn in einem der Läden löste sich mein akutes Problem, ohne daß ich dafür einen Finger krumm machen mußte. Der Ladeninhaber war ein netter alter Herr mit weißem Haar namens Mr. Edis, der anscheinend in dem Augenblick, als ich durch die Tür kam, Gefallen an mir fand. Er meinte, ich wäre einmal eine Abwechslung von dem alten Bantock mit seinen ewigen Asthma-Anfällen (ich habe Bantocks Asthma wohl noch nicht erwähnt, aber ich wußte gut darüber Bescheid) und daß ich offenbar ein guter Junge mit einem klaren Blick sei. Das waren seine Worte, und meine Erinnerung trügt mich wohl kaum, wenn ich mich entsinne, daß er fortfuhr, indem er mich fragte, ob ich am Abend schon etwas vorhätte. Mit ziemlich geschwellter Brust, hatte ich eine solche Antwort doch noch nicht oft geben können, sagte ich, ich sei mit einem Mädchen verabredet.
»Mit einer aus Wolverhampton?« fragte Mr. Edis.
»Ja. Ich habe sie hier in der Stadt kennengelernt.« Das hätte ich den meisten Leuten gegenüber nicht zugegeben, aber Mr. Edis hatte etwas, das mich anspornte und in mir den Wunsch weckte, seiner guten Meinung über mich gerecht zu werden.
»Wie ist sie?« fragte Mr. Edis mit halb geschlossenen Augen, so daß ich ihre roten Ränder erkennen konnte.
»Hinreißend.« Das war nur eine der üblichen Redensarten; meine wahren Gefühle hätte ich kaum in Worte fassen können.
»Haben Sie genug Kleingeld, um ihr etwas zu bieten?«
Ich mußte schnell schalten, da diese Frage mich sehr überraschte, doch Mr. Edis fuhr fort, ehe ich noch zu Wort kommen konnte.
»Damit Sie danach nach Herzenslust mit ihr schmusen können?«
Mir entging nicht, daß er immer erregter wurde.
»Naja, Mr. Edis«, sagte ich, »um ehrlich zu sein, reicht es nicht ganz. Ich bin neu in meinem Beruf, wie Sie wissen.«
Ich dachte, ich könnte ein Pfund aus ihm rausholen, und auch nur leihweise; man kennt ja die Leute in den Midlands.
Aber im Nu hatte er einen ganzen Fünfer hervorgezaubert. Er schwenkte ihn vor meiner Nase wie einen Räucherhering. »Er gehört Ihnen – unter einer Bedingung.«
»Ich werde mir Mühe geben, Mr. Edis.«
»Kommen Sie morgen früh wieder, wenn meine Frau aus dem Haus ist, sie arbeitet als Politesse und kann kaum genug davon kriegen. Kommen Sie wieder und erzählen Sie mir alles.«
Die Vorstellung
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