nach Westen ausdehnte, sah Margaret, daß auf dieser Seite und ganz in der Nähe ein einzelnes Gebilde aus den Bäumen auf der Westseite der Berge herausschaute. Es war ein ansehnlicher, weißgestrichener Holzbau mit einem Schieferdach.
»Wer wohnt denn dort?« fragte Margaret, um Konversation zu machen.
»Das ist das K URHUS . Ein Sanatorium«, entgegnete eine der Schwedengattinnen.
»Es ist nicht nur für Kranke bestimmt«, erläuterte die andere. »Manche Leute wohnen bloß dort, aber man kann sich auch behandeln lassen, wenn man will.«
»Das, was Sie eine Kur nennen«, fügte einer der Schwedengatten hinzu.
Nach dem, was sie über das schwedische Leben wußte, überraschte Margaret das keineswegs.
»So etwas ist aus der Mode gekommen«, sagte der zweite Schwedengatte. »Die Leute haben heutzutage keine Zeit mehr für Kuren.«
»Ihr Land genießt den Ruf, mehr für die Wohlfahrt zu tun als jedes andere.« Margaret konnte sich diese Bemerkung nicht verkneifen.
»Wohlfahrt ist nicht Erholung«, erwiderte der Schwede ziemlich ernst.
»Das K URHUS täte besser daran, mit der Zeit zu gehen und sich in ein Motel zu verwandeln«, sagte der andere Schwede. »Geschäftsleute ziehen es oft vor, außerhalb der Stadt zu übernachten, wenn es eine gute Verbindung gibt.«
»Von dort muß man eine wunderbare Aussicht haben und einen guten Blick auf die Nachmittagssonne und den Sonnenuntergang«, bemerkte Margaret. In Sovastad gab es keinen Sonnenuntergang.
»Das ist wahr«, sagte eine der schwedischen Frauen nachdenklich. »Das K URHUS und die untergehende Sonne; das paßt zusammen.«
Über dieses Thema wurde nicht länger gesprochen, aber nach einem kleinen Spaziergang auf dem Hügel, Margaret hätte ihn gern weiter ausgedehnt, fuhren sie ein kurzes Stück entlang der Westflanke des Berges, bevor sie nach Sovastad zurückkehrten; dabei passierten sie das Portal des K URHUS . Blumen wuchsen in Hängekörben, und eine Gruppe von Menschen saß an Tischen auf einer Terrasse.
Margaret erschien es nicht im mindesten altmodisch und unlukrativ. Was sie sah, gefiel ihr ausnehmend gut, vor allem der Kontrast zwischen den kleinen, aber erlesenen Feinheiten des Dekors und dem grenzenlosen, wildromantischen Ausblick nach Norden, Süden und Westen unter der warmen Sonne. Die neue Straße war noch nicht bis auf diese Seite der Berge vorgedrungen, und Margaret hatte keine Ahnung, ob sie es je so weit bringen würde. Seit sie nach Schweden gekommen waren, schien Henry große Schwierigkeiten zu haben, die diversen Rechte und Pflichten seiner Position zu wahren, er fand nie eine Atempause, um dergleichen geographische Einzelheiten mit ihr zu besprechen.
Zwei Tage später spitzten die Dinge sich krisenhaft zu. Am frühen Vormittag entführte Henry Margaret aus einer Konditori , wo sie mehrere Tassen exzellenten, aber teuren Kaffees getrunken hatte, und teilte ihr mit, daß er die nächsten beiden Tage in Stockholm verbringen und daß ihre Abreise nach England um wenigstens zwei Tage verschoben werden müßte. »Ich werde verdammt noch mal gezwungen sein, wieder hierher zurückzukommen«, fluchte Henry. »Ich muß sichergehen, daß sie wirklich begreifen, wie Stockholm entschieden hat.«
»Du Geplagter!« sagte Margaret.
»Willst du mich nach Stockholm begleiten, oder würdest du lieber hierbleiben, bis ich zurückkomme? Ich bin sicher, daß die Larssons und die Falkenbergs für deine Unterhaltung sorgen werden.«
»Ich habe für den Augenblick genug von jeder Unterhaltung. Ich könnte mich im K URHUS einquartieren.«
Henry setzte eine skeptische Miene auf. »Sie sagten, es wäre nicht viel los damit.«
»Das könnte immerhin bedeuten, daß es ruhig ist. Natürlich brauche ich dann nicht gleichzeitig das Hotelzimmer, aber da wirst du sicherlich etwas arrangieren können.«
»Mach dir darüber keine Gedanken«, sagte Henry großzügig. »Wenn du Abwechslung willst, sollst du sie haben.«
»Wenn du schon nicht hier bist«, sagte Margaret, »will ich wenigstens etwas mehr Sonne. Wenn du mir sagst, wann du zurück bist, werde ich dich hier wieder erwarten.«
»Als ein vollständig neues Mädchen«, sagte Henry und gab ihr einen Kuß.
Am nächsten Mittag erhielt Margaret im K URHUS das schönste Zimmer: groß, mit meilenweitem Ausblick, reizend möbliert und mit nicht weniger als drei langen Reihen der verschiedensten Bücher in mindestens vier Sprachen. Margaret, die gern las, musterte diese kleine Bibliothek mit
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