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als sie an dem Gebäude vorbeigefahren war, aber wie sich herausstellte, war niemand dort. Sie stand am Geländer, gefesselt, aber auch ein wenig beklommen von der unermeßlichen Weite sonnenbeschienenen Grüns. Die Sonne stand fast senkrecht und brannte auf sie herab. Margaret zog ihren Anorak aus und nahm auf einem der hellen Terrassenstühle Platz, ohne zu wissen, was sie als nächstes tun sollte. Sie stellte fest, daß fast alle Fenster des Hotels sperrangelweit offen standen – das mochte eine Folge der Sanatoriumsfunktion des Hotels sein. Sie bemerkte außerdem, daß auf dieser, einer schmaleren Straße abgewandten Seite unterhalb der Terrasse ein Pfad verlief. Er tauchte aus dem Wald zu ihrer Rechten auf und führte in das Waldgebiet zu ihrer Linken.
    Aus irgendeinem Grund erinnerte der Pfad sie an die Laufschiene, auf der die Figuren vorbeiziehen, wenn die Uhr einer mittelalterlichen Kathedrale die Stunde schlägt. Sie erwartete, daß ein rotäugiger Drache, dem ein juwelenbesetzter Heiliger Georg auf dem Fuße folgte, aus der einen grünen Tunnelöffnung auftauchen und in der anderen wieder verschwinden würde, auf ewig unbesiegt, obwohl stündlich bedrängt. Oder vielleicht erschien auch eine Prozession von zwölf klugen Jungfrauen oder sechs Pilgern und sechs Versuchungen. Sie selbst thronte dann über ihnen, alles überschauend wie eine Madonna. Auf Pfaden wie diesem hatte sich die gesamte Schöpfung von einer Finsternis zur anderen bewegt, von den Sternen bis zu den Kaninchen in der Ecke eines Altarbildes, bis Kopernikus und Kepler und Brahe und Galileo Unruhe zu stiften begannen. Einer der gastfreundlichen Schweden hatte ihr ein großes illustriertes Buch über Brahe gezeigt und ihr die Bildlegenden in besseres Englisch übersetzt, als es selbst die Engländer sprechen. Die schwedische Familie schien keinen Zweifel daran zu hegen, daß Brahe und seinesgleichen von großem Nutzen waren.
    Aus dem Wald kam, während Margaret noch in der heißen Sonne saß, nicht der Heilige Georg, sondern eine nervöse, grauhaarige Frau in rotem Kleid und Illustrierten unter dem Arm. Augenscheinlich ein Hotelgast, stieg sie die Stufen zur Terrasse hinauf.
    »Guten Tag«, begrüßte sie Margaret und musterte ihre Kleidung. »Sie sind neu hier.« Sie konnte nur eine englische Dame sein. »Unglücklicherweise kann ich Ihnen nicht in aller Aufrichtigkeit einen angenehmen Aufenthalt wünschen.«
    Margaret nahm an, daß sie ein wenig exzentrisch war, wie man es Engländern im Ausland so oft nachsagt.
    »Ich bleibe nur zwei Nächte hier«, erwiderte sie lächelnd.
    »Tatsächlich!« rief die englische Dame aus, offenkundig sehr überrascht. »Ein Zufallsgast. Wir haben sehr wenig Zufallsgäste. Das ist vielleicht bedauerlich, aber das hängt mit dem Wandel des Geschmacks zusammen. Hier gibt es ja nichts zu tun. Absolut nichts. Was hat Sie bewogen, hierherzukommen?«
    »Ich bin mit schwedischen Freunden hier vorbeigefahren; mir gefiel der Anblick.«
    »Bedauerlicherweise haben ihre schwedischen Freunde Ihnen nicht erzählt, daß dies kein gewöhnliches Hotel ist. Einige von ihnen müssen das ganz genau gewußt haben. Die meisten Schweden wissen es und eine ganze Menge Leute anderswo auch.«
    Sie stand da, die Hand auf die Lehne des Stuhls gelegt, der sich auf der anderen Seite von Margarets Tisch befand.
    »Aber meine Freunde haben es mir gesagt«, entgegnete Margaret geduldig. »Sie haben mich gewarnt, daß es zum Teil ein Sanatorium ist. Eigentlich haben Sie mir sogar mehr oder weniger davon abgeraten, zu kommen. Ich fand ihre Argumente nicht besonders überzeugend, so weit es mich betraf. Ich wollte Sonne, und ich wollte nicht gezwungen sein, die ganze Zeit meine besten Kleider zu tragen. Das war alles. Ich wollte zwei Tage Ruhe, wissen Sie.«
    »Aha«, sagte die englische Dame.
    »Aber wollen Sie nicht Platz nehmen?«
    »Danke«, sagte die englische Dame. »Ich sollte mich wohl vorstellen. Ich bin Sandy Slater. Wenigstens hat man mich seit jeher so genannt. Niemand hat mich je Alexandra genannt. Mrs. Slater, übrigens, obwohl meine Heirat kaum mehr als eine Formalität war. Ich bin eine geborene Brock-Vere.«
    »Mein Name ist Margaret Sawyer. Ich wurde Molly gerufen, aber das gefällt mir nicht mehr so wie früher. Ebenfalls Mrs. Mein Mann arbeitet am Bau der neuen Straße.«
    »So weit ich weiß, wird die neue Straße das J AMBLICHUS K URHUS kaum betreffen. Die Autoritäten haben dafür gesorgt, uns auf Distanz zu

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