Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0001 - Das Schloß der Dämonen

0001 - Das Schloß der Dämonen

Titel: 0001 - Das Schloß der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
Vom Netzwerk:
betrachtete die Sammlung verstaubter Flaschen nur flüchtig. Sie waren eine wahre Fundgrube für einen Kenner und Liebhaber edler Tropfen - aber im Augenblick hatte er anderes zu tun. Die Tür, die in den ungenutzten Teil des Kellers führte, fand er erst nach einigem Suchen. Modrige Kühle schlug ihm entgegen, als er sie öffnete. Hier gab es kein elektrisches Licht mehr.
    Zamorra sah sich um, nahm eine der Pechfackeln aus der metallenen Halterung und entzündete sie mit seinem Feuerzeug. Unruhig, geisterhaft huschte der Widerschein der Flammen über die dicken Mauern. Die Bruchsteinquader schimmerten feucht. Etwa vier, fünf Meter verlief der Gang geradeaus, dann endete er vor einer weiteren Treppe, die nach unten führte und deren Stufen sich in der Dunkelheit verloren. Zamorra ging weiter. Er wußte, daß der Keller der Burg nicht aus einem einzigen Geschoß bestand, sondern aus verschachtelten Gewölben und Verließen in verschiedenen Ebenen.
    Ein paarmal kam er an winzigen Mauerluken vorbei, die nur zur Belüftung von Kerkerzellen dienten, deren Eingänge weiter oben lagen. Rostige Ketten stapelten sich auf dem Boden, in die Mauern waren eiserne Ringe eingelassen. Zamorra durchquerte einen Raum mit einem schweren Tisch und zwei Eichenbänken, den vor unendlich langer Zeit einmal Wächter oder Folterknechte benutzt haben mochten, wandte sich nach rechts, wo ein weiterer Gang abzweigte, und drang immer tiefer in das unterirdische Labyrinth ein. Nach etwa zehn Minuten hatte er die Folterkammer erreicht. Er biß die Zähne zusammen. Daß dieser gräßliche Ort irgendwann im finsteren Mittelalter zuletzt benutzt worden war, nahm ihm nichts von seinem Schrecken. Zamorra ließ den Blick über die teuflischen Geräte gleiten, über das Streckbett, die eiserne Jungfrau, das Kohlenbecken, die Zangen, Peitschen und Ketten, dann wandte er sich rasch ab und ging wieder zur Tür. Bis hierher hatte er noch in etwa Bescheid gewußt - bei einem seiner ersten Besuche auf Château Montagne war er fast noch ein Kind gewesen und in einem Alter, in dem ihn Burgverließ und Folterkammer ungemein fasziniert hatten.
    Aber weiter war er nie gekommen - und jetzt, da er darüber nachdachte, erinnerte er sich auch deutlich, daß sein Onkel alle Fragen nach dem restlichen Teil des Kellers immer energisch abgewehrt hatte.
    Weil die Tür mit dem Wappen in der Nähe lag! Und weil es dahinter keine normalen Kellerräume mehr gab, sondern uralte Gewölbe, die ein Geheimnis bargen? Zamorra zögerte kurz, dann folgte er weiter dem Gang, der an der Folterkammer vorbeiführte. Seine Kopfhaut kribbelte. Er war sich bewußt, daß er Angst empfand.
    Adrenalin, dachte der Wissenschaftler in ihm. Erhöhte Hormonproduktion. Flucht- oder Kampfbereitschaft im Augenblick der Gefahr und… Da war die Tür. Schwere Eichenbohlen, ein geschnitztes Wappen. Drei stilisierte Lilien und ein Adler - das Wappen der Montagnes. Zamorra nahm die Fackel in die Linke. Er zögerte. Seine Natur, seine Forschungen, seine Erkenntnis - das alles hatte ihn wachsam gemacht, empfänglich für Stimmungen und Ausstrahlungen die andere nicht wahrnahmen. Und diese besondere Sensibilität ließ ihn jetzt die Gefahr spüren. Hinter dieser Tür war etwas. Etwas Unheimliches. Drohendes. Er wußte es, er fühlte förmlich, wie es ihn anwehte, und er glaubte, die Warnung in Louis de Montagnes steiler, energischer Schrift wieder ganz deutlich vor sich zu sehen.
    Aber er war nicht hierhergekommen, um jetzt aufzugeben. Mit fest zusammengepreßten Lippen streckte er die Hand aus. Der Riegel ließ sich überraschend leicht abheben. Zamorra drückte die rostige Klinke herunter, gab der Tür einen Stoß, und mit einem mißtönenden Knarren schwang sie zurück. Dunkelheit. Eine Dunkelheit, gegen die auch die Pechfackel nichts ausrichtete. Zwei, drei Sekunden vergingen. Sekunden in völliger Stille. Und dann, während plötzlich ein seltsamer, singender Ton in der Luft hing, erlebte Zamorra das Erwachen der Dämonen. Er sah die tanzenden glimmenden Funken, die sich zu Wolken verdichteten. Er sah, wie die Funken zu Flammen wurden. Sah, wie sich aus den wabernden, tanzenden Feuergestalten die bleichen Gerippe materialisierten - und erst als zum erstenmal das gellende, teuflische Gelächter laut wurde, erwachte er aus seiner Erstarrung. Er wich zurück. Langsam, Schritt für Schritt. Angst war in ihm. Nackte, panische Angst, die an den Schranken der Beherrschung rüttelte. Aber er wußte, daß nichts

Weitere Kostenlose Bücher