0003 - Ich zerschlug die Bande der Fünf
aber ich stelle es mir so vor, daß seine Mörder ihn nach der Operation zwangen, die Schürze und den Kittel auszuziehen. Wahrscheinlich haben sie ihn in dem Glauben gehalten, sie würden ihn ungeschoren lassen. Dr. Wyman ist zu seinem Schreibtisch gegangen und schrieb, als ihn die Kugel traf. Der oder die Mörder haben uns zwar das Blatt nicht hinterlassen, das er beschrieb. Sie rissen es von dem Rezeptblock ab, aber sie dachten nicht daran, daß die Schrift sich genügend durchgedrückt hatte, um uns noch dieses Bild zu liefern.«
Er nahm ein Blatt aus dem Aktenordner, der vor ihm lag. Es war eine Ultraviolettfotografie, die Fotografie des Blattes eines Blockes Rezeptformulare. Die Schriftzeichen waren deutlich zu erkennen. Der Text lautete:
Ihr werdet ihn trotzdem…
»Viel besagt das natürlich nicht«, schloß Leborn und legte das Blatt in seine Mappe zurück.
Ich zerdrückte meinen Zigarettenrest im Aschenbecher.
»Vielleicht doch — Dr. Seeth, halten Sie es für möglich, daß Wyman eine Gesichtsoperation an einem Gangster vornahm?«
Der Polizeiarzt machte eine entschiedene Handbewegung.
»Ich habe den alten Dr. Wyman persönlich gekannt, Mr. Cotton«, erklärte er. »Er war ein Starrkopf, und er hatte vor nichts Angst. Er hätte sich unter allen Umständen geweigert.«
Ich fingerte eine neue Zigarette aus der Tasche.
»Stellen Sie sich vor, Doc«, sagte ich eindringlich. »Zwei Ganoven stehen vor Ihnen, die Kanonen in der Hand, und verlangen von Ihnen, Sie sollen ihre Visage so verändern, daß der Steckbrief der Polizei nicht mehr stimmt. Würden Sie sich dann weigern, da Sie wissen, Sie werden sonst sterben?«
Bevor der Arzt antworten konnte, rief der Lieutenant dazwischen: »Das ist Unsinn, Cotton. Jeder Mann in einer solchen Situation weiß, daß man ihn niederschießen wird, auch wenn er die Operation ausgeführt hat, denn er wird die Polizei anrufen, kaum daß die Gangster aus der Tür sind.«
»Richtig«, sagte ich, »und auch Dr. Wyman wußte das, aber er führte die Operation dennoch aus, aber wahrscheinlich anders, als die Verbrecher sich vorstellten, und darum bedeutet der Text auf dem Rezeptformular: Ihr werdet ihn trotzdem erkennen. Und wahrscheinlich wollte der alte Doktor sogar schreiben: Ihr werdet ihn trotzdem an… erkennen! Nur, woran sein Patient zu erkennen sein wird, das werden wir nicht erfahren, bevor wir ihn gefaßt haben.«
»Wissen Sie, wer es war?« fragte der Lieutenant.
»Ich glaube es zu wissen«, sagte ich und stand auf. »Jedenfalls war es eine verdammt interessante Geschichte. Ich danke Ihnen, Leborn, auch Ihnen, Dr. Seeth. Eine Frage noch. Wie lange dauert es, bis die Spuren einer Gesichtsoperation verheilt sind?«
»Vier Wochen vielleicht.«
»Muß der Patient das Bett hüten?«
»Er muß nicht, aber wenn es eine große Operation war, muß er einen Vollverband im Gesicht tragen. Sie verstehen, so einen völlig umwickelten Kopf.«
»Gab es irgendein Anzeichen dafür, daß Wyman zwei Leute operierte?«
Seeth zögerte einen Augenblick. »Eigentlich nicht, obwohl ich es nicht mit Bestimmtheit sagen möchte.«
»Noch einmal, vielen Dank. Good bye.«
Auf der Straße blickte Phil mich fragend an.
»Callighan?«
Ich nahm seinen Arm.
»Ich lasse mich hängen, Phil, wenn er es nicht war. Siehst du nicht, wie es zu Callighan paßt, so etwas Außergewöhnliches zu tun? Er weiß, er hat praktisch keine Chance, aus den Staaten herauszukommen. Jeder Cop, jeder Zollbeamte, ja fast jeder Bürger kennt sein Gesicht. Was tut er? Er läßt es so verändern, daß er ganz offiziell mit einem Flugzeug oder einem Schiff oder der Bahn die Grenze passieren kann. Die Papiere? Eine Kleinigkeit, sie auf irgendeinen Namen in der Unterwelt zu besorgen. Und solange er sich in den Staaten aufhält, ist sein Kopf verband eine feine Sache. Er wohnt in einer kleinen Pension. Eines Abends kommt er mit umwickeltem Kopf heim, erzählt etwas von einem Autounfall und ist sicher, daß ihn vorläufig niemand erkennt.«
»Und Jordan? Wenn die beiden Ausbrecher wirklich die Mörder des Arztes sind, hat Jordan dann sein Gesicht nicht auch verändern lassen?«
»Ich glaube nicht. Jordan ist der typische Bandenverbrecher, der ewige Gehilfe, der für einen Boß raubt, stiehlt, mordet, aber er hat keine Phantasie, keine eigenen Ideen. Wahrscheinlich hat er gelacht, als Callighan seinen Plan auseinandersetzte, aber er tat, was Callighan befahl, denn er war sein Boß. Nur sein eigenes Gesicht hielt
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