0003 - Ich zerschlug die Bande der Fünf
Telefongespräch etwas zu lang werden.«
Ich sah auf die Armbanduhr. Es war gegen sechs des Tages nach der Unterredung mit Mr. High. Wir hatten nur wenig in der Nacht geschlafen, um mit dem Fernschreibwust fertig zu werden, und ich war herzlich müde. Trotzdem sagte ich zu und versprach Leborn, in einer halben Stunde bei ihm zu sein.
»Laß sein«, forderte ich Phil auf, der noch die Berichte studierte. »Ich schlage vor, wir machen Schluß für heute, fahren bei den Cops vorbei, hören uns an, was der Lieutenant uns zu erzählen hat, und schlafen uns dann gründlich aus.«
Eine halbe Stunde später saßen wir Leborn in seinem Dienstzimmer gegenüber. Es befand sich noch ein Mann in dem Raum, den uns der Lieutenant als Dr. Seeth, den Polizeiarzt seines Distriktes, vorstellte.
Ich bot eine Zigarettenrunde an.
»Hören Sie«, sagte ich, während ich das Päckchen herumreichte, »war dieser Dr. Wyman eigentlich eine bekannte Persönlichkeit? Mir scheint der Name vertraut.«
»Kann man wohl sagen«, antwortete Dr. Seeth. »Vor einiger Zeit befaßten sich sogar die Zeitungen mit ihm. Wyman hat Beachtliches auf dem Gebiet der Gesichtschirurgie geleistet. Allerdings, das Zeitungstheater war keine Würdigung seiner Verdienste, sondern ein Krach, den mein armer Kollege durch einen offenen Brief an seine Kollegen entfesselte.«
Ich hielt die Zigarette in der Hand und vergaß, sie anzuzünden.
»Gesichtschirurgie?« fragte ich. »Andere Nase, andere Ohren, anderes Aussehen, nicht wahr? Und Wyman war in solchen Sachen ein bekannter Mann?«
Dr. Seeth lächelte etwas traurig. »Nein, eigentlich nicht, denn die Welt hatte ihn vergessen. Er war vierundsiebzig, als er starb. Nach dem ersten Weltkrieg hat er mit der Gesichtschirurgie begonnen. Er behandelte Soldaten, die durch Schußverletzungen entstellt waren. Nach dem zweiten Weltkrieg ging der Verschönerungsrummel mit dem Chirurgenmesser erst richtig los, und eines Tages kam Dr. Wyman auf die vielleicht nicht ganz glückliche Idee, in einem offenen Brief in einer Zeitung die Kollegen zu verdammen, die sich dazu hergaben. Die Kollegen natürlich wetterten zurück, die Zeitungen griffen das mit Wonne auf, es gab Leserzuschriften und Kommentare. Ein paar Wochen lang war diese Polemik in jeder besseren Zeitung von Alaska bis Mexiko zu finden. Dann schlief natürlich alles wieder ein.«
»Ja, ich werde es auch gelesen haben«, sagte ich. »Daher erinnerte ich mich an den Namen.«
Dr. Seeth war mit seinem Bericht offenbar fertig, und ich sah Leborn an.
»Wir wurden von der Sprechstundenhilfe alarmiert, die die Türen zur Praxis offen fand. Dr. Wyman lag neben seinem kleinen Schreibtisch im Behandlungsraum. Kopfschuß. Die Praxis liegt in einem großen Bürohaus, in dem gewissermaßen Tag und Nacht Betrieb ist. Es gibt zwar einen Portier, aber er hat nichts Besonderes bemerkt, denn es gehen auch zu später Stunde Leute ein und aus. Daß der Schuß nicht gehört wurde, ist nicht verwunderlich. Behandlungsräume von Ärzten haben gewöhnlich gepolsterte Doppeltüren. Das Behandlungszimmer war weitgehend auf den Kopf gestellt, so daß wir zuerst einen Raubmord vermuteten, aber… das erzählt Ihnen besser wieder Dr. Seeth.«
»Es ist nicht daran zu zweifeln, daß Dr. Wyman kurz vor seinem Tode eine Operation durchgeführt hat. Soweit ich unterrichtet bin, beschäftigte sich der alte Arzt nicht mehr mit der Gesichtschirurgie, sondern übte eine allgemeine Praxis aus. Es ist auch schwer zu sagen, welcher Art die Operation war, die er vor seinem Tode vornahm, obwohl ich gewisse Anhaltspunkte zu haben glaube, die auf eine sogenannte Gesichtsplastik hindeuten. Jedenfalls haben sich seine Mörder bemüht, die Spuren zu verwischen. Wir fanden keinen Operationskittel, keine Schürze, keine benutzten Gummihandschuhe, aber sie haben nicht an die Instrumente gedacht, die im Sterilisator lagen. Wie es seine Gewohnheit war, muß Dr. Wyman nach der Operation alle benutzten Instrumente in den Sterilisator gelegt haben. Für einen Arzt war es eine Kleinigkeit, zu erkennen, daß es Instrumente einer Operation waren. Da wir durch Befragen seiner Patienten festgestellt haben, daß er am Tage keinen Eingriff irgendeiner Art durchgeführt hat, müssen die Instrumente in der Nacht vor seinem Tod benutzt worden sein.«
»Und dann ist noch etwas«, nahm Leborn das Wort. »Dr. Wyman hat vor seinem Tod noch Gelegenheit gehabt, zu schreiben. Ich weiß nicht, wie es sich im einzelnen abgespielt hat,
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