Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

0004 - Götterdämmerung

Titel: 0004 - Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Darlton
Vom Netzwerk:
allmählich ein.
    Er träumte, und seltsamerweise war es wieder die Stätte seiner Kindheit, an die er zurückkehrte. Er sah alles so lebendig vor sich, daß es kein Traum mehr, sondern Wirklichkeit zu sein schien. Der alte Scheikh erzählte seine Geschichten aus jenen Tagen, da er noch mit Speer und Bogen durch die Steppen zog, um feindliche Krieger zu jagen. Die Schwester holte mit einem Krug Wasser aus dem nahen Brunnen. Die Eltern ...
    Ras erwachte jäh von einem Geräusch, das nicht zu dem üblichen Konzert gehörte.
    Zuerst hatte der Stamm leicht gezittert, als sei jemand aus geringer Höhe darauf gesprungen. Dann ein leises Tappen, als nähere sich dieser Jemand. Irgend etwas schleifte auf Holz.
    Ras richtete sich auf und griff nach dem Gewehr. Seine suchende Hand fand es nicht sofort, aber dann, als sie es berührte, geschah es mit der falschen Seite. Der geringe Stoß mit dem Handrücken genügte. Es fiel um. Ehe Ras erneut zupacken konnte, kippte es über den Rand der kleinen Plattform und stürzte in die schwarze Tiefe. Mehrmals schlug es gegen Äste und Blätter, dann ein dumpfes Geräusch - und aus. Stille.
    Ras zitterte vor Furcht. Abergläubischer Schrecken ergriff von ihm Besitz. Jetzt hörte er auch wieder das schleichende Tappen. Es war lauter geworden.
    Und dann - sein Herz stand für einen Augenblick still - sah er zwei funkelnde Lichter dicht vor seinem Gesicht. Es mußte eine Raubkatze sein, die seiner Witterung nachgegangen war.
    Ras wußte, daß er verloren war. Seine einzige Waffe lag tief unter ihm auf dem Waldboden. Vielleicht sogar im Sumpf. Das Messer - es war klein und nicht viel wert. Damit konnte er niemals ein derart gefährliches Raubtier abwehren. Mit zitternden Händen zog er es aus dem Gürtel.
    Die beiden Augen standen jetzt keine drei Meter vor ihm in der Dunkelheit. Fast vermeinte Ras, den stinkenden Atem seines Gegners riechen zu können. Er blieb sitzen, stemmte sich mit dem Rücken gegen den ausgehöhlten Stamm - und wartete. Von links kam ein Fauchen. Die Augen vor ihm verschwanden plötzlich, als die Katze ihren Nebenbuhler ansprang. Ras konnte nichts sehen, aber er ahnte den Kampf, der sich wenige Meter vor ihm in der völligen Dunkelheit abspielte. Die beiden Tiere stritten sich um die Beute, um ihn.
    Der Sieger würde nicht zögern ihn anzugreifen. Aber immerhin blieben ihm nun noch einige Minuten, sich vorzubereiten. Viel konnte das nicht helfen, das wußte er selbst. Seine Hand faßte das Messer fester.
    Das Fauchen der kämpfenden Bestien entfernte sich ein wenig, aber es wurde lauter und wilder. Krallen hakten sich in Holz und verursachten ein nervenaufpeitschendes Geräusch, das Ras bis ins Mark drang.
    Und dann - ganz plötzlich und unerwartet - trat Stille ein. Aber nur für den Bruchteil einer Sekunde. Dann hörte Ras am Brechen der Zweige und am gelegentlichen dumpfen Aufschlagen, daß eins der Tiere den Halt verloren und in die Tiefe gestürzt war. Der Kampf war beendet. Der zweite würde beginnen. Er sah wieder die funkelnden Augen, etwas weiter entfernt. Und sie bewegten sich jetzt - auf ihn zu.
    Verdammt - warum hatte er sich auch auf dieses Abenteuer einlassen müssen! Wie konnte der Expeditionsleiter bestimmen, daß er allein durch den Urwald gehen sollte? Warum war er überhaupt auf den Gedanken gekommen, nach Moskau auszuwandern? Warum studieren? Er hätte in El Obeid bleiben sollen, bei den Eltern, bei der Schwester.
    Lieber Gott, die Schwester! Sie war der einzige Mensch, der von seiner Verwandtschaft noch lebte. Er hatte sie immer gern gehabt. Das Haus ...
    Er vergaß das sich nähernde Raubtier. Wenn er schon sterben mußte, dann wenigstens mit dem Gedanken an die geliebte Heimat, an die Schwester.
    Er sah sie vor sich, in dem kleinen Zimmer. Sie saß am Tisch und zerstampfte mit einem Mörser das Getreide zu feinem Mehl. Er selbst stand neben der Tür - wenigstens hatte er das bei seinem letzten Besuch vor zwei Jahren getan. Sie hatte damals nichts von seinem Besuch geahnt und ihn zuerst nicht erkannt, aber dann ...
    Er gäbe alles dafür, jetzt in dieser Sekunde bei ihr sein zu können, in dem alten Haus, in Sicherheit. Seine ganzen Gedanken sehnten sich danach. Er konnte an nichts anderes mehr denken. Selbst die Raubkatze hatte er vergessen ...
    Die Schwester saß am Tisch, aber sie zerstampfte kein Getreide. Sie blätterte in alten Briefen, die in einem Kasten vor ihr standen. Und nun sah sie auf, erblickte Ras, der neben der Tür stand. Aber es

Weitere Kostenlose Bücher