0004 - Götterdämmerung
wollten Sie das, die uns einschließende Armee restlos in Staub verwandeln. Warum tun Sie es eigentlich nicht?"
Unmut huschte über die kalte Schönheit ihres Gesichts. „Crest will es nicht - er glaubt wahrscheinlich, Ihnen für seine Heilung dankbar sein zu müssen."
„Soll er nicht?"
Sie schüttelte leicht den Kopf. „Die Fragestellung ist falsch. Wir versuchen lediglich, eine Schuld zu bezahlen, indem wir Ihnen helfen. Gut, Sie haben Crest heilen können, aber..."
Sie ließ den Rest in der Luft hängen. „Technisch sind Sie uns überlegen, ich weiß. Aber trotz Ihrer Technik sind auch Sie ohne unsere Hilfe machtlos. Wenn auch fünfhundert Lichtjahre für uns eine traumhafte Entfernung bedeuten, so könnten Sie damit nichts anfangen, denn Sie würden Ihre Heimat nie erreichen. Sie wissen genausogut wie Crest oder ich, daß nur eine Zusammenarbeit Ihnen die endgültige Rückkehr ermöglicht. Und darum - wohlgemerkt: nur darum - willigen Sie in ein Bündnis ein. Nicht aus Dankbarkeit. Warum also machen wir uns etwas vor?"
Sie lächelte nicht einmal.
„Ganz allmählich beginnen Sie logisch zu denken, Rhodan, Wir bilden eine Zweckgemeinschaft, nicht mehr. Wenn Sie Ihr Ziel erreicht haben, so wie wir, trennen wir uns. Nicht einmal ein Dank wird nötig sein, denn wir haben beide profitiert. So sehe ich die Dinge."
„Crest denkt menschlicher - wenn ich den Ausdruck gebrauchen darf. Er hat eine Seele."
„Was nennen Sie eine Seele?"
Perry machte eine wegwerfende Bewegung. „Vielleicht werde ich später einmal versuchen. Ihnen das zu erklären, jetzt wäre es Zeitverschwendung. Warum wollten Sie mich sprechen?"
Seine Kühle wirkte selbst für Thora ernüchternd. Sie ahnte ja nicht, welche Kraft es ihn kostete, so kalt zu bleiben. In ihren Augen flimmerte ein gefährliches Licht.
„Das Roboterkommando hat den Energieschirm stabilisiert. Wir können in aller Ruhe die weiteren Angriffe abwarten. Wann besorgen Sie uns die versprochenen Arbeitskräfte, damit wir mit dem Bau unseres neuen Schiffes beginnen können?"
„Sobald die Menschheit den Kampf gegen mich aufgegeben hat. Erst dann können wir beginnen. Ich kann es leider nicht ändern, daß Ihre Hilfe die Voraussetzung für die unsere ist."
„Und wie lange wird die Menschheit brauchen, bis sie die Sinnlosigkeit ihres Kampfes gegen uns einsieht?"
„Wie ich sie kenne - niemals, wenn sie nicht radikal überzeugt wird." Er lächelte kalt. „Wir sind eine kriegerische Art."
Sie sah ihn an. Für eine Sekunde glaubte Perry, so etwas wie Sympathie in ihren Augen aufblitzen zu sehen, aber es konnte auch eine Täuschung gewesen sein.
„Wir waren das auch einmal", sagte sie. „Als wir jung und unreif waren. Es legt sich erst dann, wenn das Volk reif und weise wird."
„Und alt!" warf Perry ein. Zu seiner Überraschung nickte sie, ohne zornig zu werden.
„Sie haben recht. Leider."
Damit drehte sie sich um und schritt auf den Kugelraumer zu.
2.
Hinter dem Schreibtisch saß ein unscheinbar wirkender Mann. Er war von kleiner Gestalt, sah jung aus und machte einen harmlosen Eindruck, Ein schütterer Kranz goldblonder Haare umrahmte seinen kahlen Schädel; nur an den Schläfen zeigten sich erste weiße Stellen. Friedfertig blickten die Augen in die Welt.
Er saß in einem technisch perfekt eingerichteten Büroraum 3000 Meter unter der Erde, tief unter dem Festlandeis von Grönland. Hier befand sich das Hauptquartier des bestorganisierten Geheimdienstes der Welt, der International Intelligence Agency. Diese Spezialtruppe war während der Zeit des kalten Krieges entstanden und unterstand der NATO. Der harmlose Mann hinter dem Schreibtisch war ihr Chef, Allan D. Mercant, einer der gefürchtetsten Männer des 20. Jahrhunderts. Ein Bildschirm flammte auf.
„Die Chefs der Geheimdienste sind eingetroffen, Sir."
„Ostblock und Asiatische Föderation?"
„Iwan Martinowitsch Kosselow vom Ostblock und Mao-Tsen von der AF", bestätigte der Funker und Melder. „Generalleutnant Tai-Tiang ist soeben in der Davis-Straße gelandet. Er wurde bereits zum Elektrolift geleitet."
„Dann hätten wir ja bald den ganzen Verein zusammen", nickte Mercant und lehnte sich zurück. Er wartete, bis der Bildschirm erlosch, ehe er leicht lächelte. Noch vor wenigen Wochen wäre es absurd gewesen, sich das, was nun geschah, auch nur im Traum vorzustellen. Die Männer, die einander erbittert bekämpft hatten, die obersten Führer der Geheimdienste, trafen sich im
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