0005 - Ich griff »Nummer eins«
weit von mir. Ich stand auf und ging auf ihn zu.
»Du solltest deinen Mund halten«, sagte ich ruhig. »Dein Geschwätz geht mir auf die Nerven.«
Der Junge mochte vielleicht achtzehn Jahre alt sein. Er wurde blaß, als ich mich vor ihm aufbaute. Sicherlich wäre er ganz gern aufgestanden und hätte sich entschuldigt, aber seine Kumpane sahen zu, und so durfte er keine Schwäche zeigen.
»Ich rede hier, was ich will«, antwortete er patzig.
Ich knallte ihm eine bildschöne Ohrfeige. Es wurde sehr still im Saal. Einige seiner Kumpane sprangen auf. Hör Geohrfeigte hielt sich instinktiv seine Wange.
»Mit ‘ner Kanone unter der Achsel ist es leicht, jemanden zu schlagen, der kein Schießeisen besitzt.«
Ich brach in Gelächter aus.
»Du glaubst doch nicht im Ernst, daß ich gegen euch Kinder mit einer Kanone angehe?«
In diesem Augenblick löste sich aus der Masse der anderen ein stämmiger Bursche in einem Rollkragenpullover, der kaum kleiner sein mochte als ich. Ich sah auf den ersten Blick, daß er der Schläger der Bande war.
»Ist das ‘n Wort, G-man?« fragte er und sah mich aus engen, hitzigen Augen an.
»Klar, das ist ein Wort«, bejahte ich vergnügt.
»Gut, machen wir einen Gang, wenn du kein Feigling bist. Zieh dir die Jacke aus.«
»Das ist unnötig. Fang immerhin an.«
Er ging in Boxstellung. Ich wich ein wenig zurück, behielt ihn im Auge, aber verließ mich auch nicht darauf, daß die anderen fair bleiben würden. Mancher von diesen Jungen, sicher nur die wenigsten, waren von der Straße und von Leuten wie Carruzzi bis in den Grund hinein verdorben. Es konnte gut sein, daß einer von ihnen auf die Idee kam, mir in den Rücken zu fallen.
Ihr Matador nahm mein Zurückweichen für ein Zeichen von Angst. Er griff stürmisch an. Ich blockte ab, was er mir zudachte. Der Junge war für sein Alter ungewöhnlich stark, aber er verstand wenig genug vom Handwerk. Als er sich die passende Blöße gab, schlug ich zu.
O nein, ich setzte ihm nicht die geballte Faust aufs Kinn. Ich haute ihm eine knallende Ohrfeige herunter, daß mir selbst die Handfläche zu brennen begann. Er war so verblüfft, daß er für einen Augenblick die Arme sinken ließ.
»Hallo, mach weiter!« rief ich, aber noch während dieser Worte schlug ich ihm links und rechts noch zwei Ohrfeigen. Er begriff dunkel, daß ich ihn blamieren wollte, daß ,ich ihm beweisen wollte, daß er trotz all seines Rowdy- und Räuberhauptmanntums nichts anderes war als ein dummer Junge, und er erkannte dumpf, daß das schlimmer für ihn war als ein ehrlicher Niederschlag.
Er stürmte mit der Wut eines Stieres an. Ich ging vor ihm weg, blockte ab, wich aus, und jedesmal, wenn er nicht aufpaßte, knallten meine Ohrfeigen auf seine beiden Wangen, die langsam anzuschwellen begannen.
Er keuchte schwer. Tränen traten in seine Augen, und er schrie:
»Stell dich, G-man!« schrie er.
»Tue ich das nicht?« fragte ich. — Klatsch, Knall, er bekam zwei weitere Ohrfeigen ab, und plötzlich wurde ihm klar, daß er hier nichts mehr zu gewinnen hatte. Er schluchzte auf wie ein Kind, barg das Gesicht zwischen den Händen, warf sich herum und rannte zur Tür.
Er prallte im Türrahmen mit Carruzzi und den zwei Erwachsenen zusammen-, die zur Bande gehörten. Der Boß stieß ihn wütend zur Seite, daß der Junge von den Beinen kam und über die Erde kugelte.
»Was ist hier los?« schrie Carlo.
»Ich gab deinem Kindergarten eine kostenlose Stunde Unterricht«, antwortete ich und klopfte ein wenig an meinem Zeug herum.
»Raus hier, G-man!« brüllte Carruzzi. »Raus, wenn du keinen Ärger haben willst.«
Carlo war nun einmal einer von der Sorte, die gleich überschäumen. Ich lächelte.
»Ich gehe, wann ich will, Carlo. Das weißt du doch. Laß das Geschrei.«
Er sah mich aus engen Augen an und strapazierte sein Gehirn, wie er mich am besten unschädlich machen könnte, obwohl noch gar nicht heraus war, ob ich ihm überhaupt schaden wollte, aber Carruzzi vertrug den Anblick von Männern, die seine Herrschaft über diesen Teil von Bronx bedrohen konnten, schlecht. Er war ein richtiger kleiner Diktator, und wie alle Tyrannen fürchtete er nichts so sehr wie Leute, die seine Tyrannei stürzen konnten.
Ich setzte mich an den Tisch, schob ihm mit dem Fuß einladend einen Stuhl zurecht und begann ohne Umschweife: »Brian war schon einmal bei dir, und ich fürchte, er wird bald zurückkommen.«
»Wenn du nicht mit deiner Kanone dazwischengeraten wärst, läge er
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