0005 - Ich griff »Nummer eins«
Carlo Carruzzi waren unter Brian nur Abteilungsleiter gewesen. Carruzzi kam über ein gewisses Format nicht hinaus, aber er war ein Hitzkopf und ein brutaler Bursche. Er hatte sich die Herrschaft über einige Straßen in Bronx erkämpft und terrorisierte sie mit Hilfe einer Meute junger Burschen, unter denen sogar eine Menge Halbwüchsiger waren. Sie verlangten Abgaben von den Geschäftsleuten und hatten sich vor allen Dingen auf Taxichauffeure spezialisiert. Abgesehen von ihren wirklichen Verbrechen, verübten sie eine Menge Unfug, und Carlo gab sich im Grunde genommen damit zufrieden, in seinem Bezirk ein geachteter und gefürchteter Mann zu sein, obwohl ihm der ganze Rummel nicht besonders viel einbrachte. Er hatte unter Brian genug gelernt, um sich immer wieder durchzumogeln, aber es war eine Frage der Zeit, wann er gefaßt werden würde.
Wenn einer in etwa an das Format von ›Nummer eins‹ heranreichte, so war es Upton Ginger. Ginger war Rauschgiftspezialist gewesen, aber er arbeitete nach Brians Sturz nicht auf diesem Sektor weiter. Er verlegte sich auf die Hehlerei, und wir wußten mit ziemlicher Sicherheit, daß er ›der‹ große Hehler New Yorks war. Die kontinentweite Schmugglerorganisation, die er unter Brian für die Beschaffung und den Absatz von Rauschgift aufgezogen hatte, stellte er auf den Ankauf und den Absatz gestohlenen und geraubten Gutes um. Er schmiß alle unsicheren Elemente hinaus, Und er sorgte auf eine ebenso einfache wie wirkungsvolle Weise dafür, daß er bisher nicht gefaßt werden konnte. Was er als Hehler in den Staaten erwarb, schmuggelte er nach Südamerika oder nach Kanada und verkaufte es dort. Was in Südamerika oder Kanada geraubt wurde und in die Hände seiner Aufkäufer geriet, brachte er in den Vereinigten Staaten an den Mann. — Beim Aufbau der Sache war er unserer Meinung nach brutal vorgegangen, denn kurz nach Brians Verhaftung häuften sich die Überfälle auf kleinere und größere Hehler. Es gab eine Menge Prügeleien, einige Verpfiffe an die Staatspolizei und zwei Morde. Danach wagte kein Hehler mehr, gegen Upton Ginger aufzumucken. Sein Einkommen stieg von Jahr zu Jahr, und ich schätzte, daß er inzwischen hunderttausend Dollar machte. Vielleicht war es gut, wenn ich Ginger mal besuchte.
Upton hatte aus dem ›einen‹ Fehler von ›Nummer eins‹ gelernt. Er unterhielt ein nicht unbeträchtliches Ex- und Importunternehmen unter dem Namen ›Intercontinental‹, und er sorgte sehr genau dafür, daß er nicht mehr Geld ausgab, als er nach den Geschäften seines legalen Betriebes ausgeben konnte. Natürlich war es klar, daß er seine Käufe zum guten Teil mit den Verdiensten finanzierte, die ihm die Hehlerei einbrachte, aber die Steuerburschen brachten kein Material gegen ihn zusammen, das zu einer Verurteilung ausgereicht hätte.
Das Büro der ,Intercontinal‘ befand sich im vierzehnten Stock eines Hochhauses in Manhatten. Es umfaßte eine Flucht von Räumen, in denen eine Menge Stenotypistinnen auf einer Menge Schreibmaschinen klapperten. Ich mußte mich erst durch einige Sekretäre und Sekretärinnen durchkämpfen, bis ich endlich in Gingers Privatkontor geführt wurde.
Ginger sah nicht annähernd so gut aus wie Brian, obwohl er nicht älter war. Er hatte bereits eine Glatze, ein verknittertes Gesicht und war dürr wie ein Gerippe, aber man brauchte nur seine sehr hellen, fast gelben Augen zu sehen, um zu wissen, daß er außerordentlich bösartig werden konnte.
»Machen Sie schnell, G-man«, sagte er ohne jede Höflichkeit. »Ich habe in fünf Minuten eine Besprechung, und ich denke nicht daran, wegen eurer albernen Verdächtigungen meine Geschäfte zu gefährden.«
»Harry Brian kam heute aus dem Gefängnis«, sagte ich knapp.
Er stieß einen Krächzer aus. »Glauben Sie, das wüßte ich nicht? Wenn Sie gekommen sind, um mir diese Neuigkeit zu versetzen, können Sie gleich wieder gehen.«
Ich zog mir statt dessen einen Stuhl heran.
»Ich sprach mit ihm«, erklärte ich, »und ich hatte den Eindruck, er war ein wenig ungehalten darüber, daß Sie ihm keinen Blumenstrauß zum Tag der Befreiung schickten.«
»Ich habe keinen Grund dazu«, sagte er scharf. »Er hat mich schlecht genug bezahlt, als ich für ihn arbeitete.«
Ich klopfte mir eine Zigarette zurecht. »Wissen Sie, Ginger«, sagte ich gemächlich, »ich habe mich eigentlich gewundert, daß Sie nicht gleich vor dem Gefängnistor versucht haben, ihn wegzuputzen. Also keinen Blumenstrauß,
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