0007 - Ich und die Staatenbande
einigermaßen fand. Er rauchte hastig und gierig und sah mich immer wieder aus ängstlichen Augen an.
Ich hatte es nicht eilig, mit ihm zu sprechen. Ich hatte mir die Papiere aus der Tasche geholt, die ich dem Burschen in der Gasse abgenommen hatte. Abgesehen von Fotos, Fahrscheinen, Briefen und einigen Geldscheinen interessierte mich vor allen Dingen eine abgelaufene Gewerkschaftskarte, die auf den Namen Mike Mitchell lautete.
»Chef, kann ich noch ’nen Glimmstengel haben?« fragte mich der angeschossene Junge. Er wollte sich lässig geben, aber die Angst schnürte ihm fast die Kehle zu.
»Klar«, sagte ich. »Das wird ohnehin mit die letzte sein.«
»Wieso?« fragte er sofort, froh darüber, endlich reden zu können. Aber ich schien schon wieder jedes Interesse an einer Unterhaltung verloren zu haben. Er fragte noch zweimal und stellte dann erst resigniert sein Mundwerk ab.
»Hallo«, sagte ich, als Phil eintrudelte. Ich kniff ihm schnell ein Auge zu, und er reagierte sofort.
»Ist das der Mann, der den auf der Treppe umgelegt hat?« fragte er geschäftlich kühl und zeigte ein Paar Handschellen.
»Ich weiß nicht, möglich«, sagte ich. »Ich habe nicht geschossen«, brüllte der Bursche auf. »Chef, Sie haben doch gesehen, daß ich nicht geschossen habe. Nicht auf Lemmy. Ist er tot?«
»Er ist so tot, daß darauf der Elektrostuhl steht«, sagte Phil und legte dem Burschen die Handschellen um.
»Ich hab’ ihn nicht erschossen«, brüllte der jugendliche Gangster. »Chef, Sie haben doch gesehen, daß ich nur auf Sie geschossen hab’…«
»Das hört sich auch verdammt schlecht an«, sagte Phil.
Der jugendliche Gangster schrie auf. Zum erstenmal merkte der Bursche wohl, auf was er sich eingelassen hatte. Ein Schock tat ihm bestimmt mal gut. Diese Bengels kamen sich Gott weiß wie stark vor, wenn sie sich eine Kanone zugelegt hatten, mit der sie so lange herumspielten, bis einer umgelegt worden war.
Der Mann, nein, der Bengel wollte reden. Seine Worte überstürzten sich, über ich hörte nicht hin.
»Einzelhaft, Phil«, sagte ich nur.
***
»Morgen wird der Junge in allen Tonarten singen«, sagte ich zu Phil, der zurückgekommen war. Er hatte den jugendlichen Gangster der Stadtpolizei übergeben.
»Es sieht so aus, als ob du bereits unbequem geworden bist«, meinte Phil. »Du kannst von Glück sagen, daß du noch mal davongekommen bist.«
Ich hatte mir eine Zigarette angezündet und mich ans Fenster im Treppenhaus gestellt. Von hier oben aus konnte man sich den Zauber ansehen, der unten vor der gesprengten Haustür abrollte. Inzwischen war die Zahl der Streifenwagen auf drei angewachsen. Scheinwerfer strahlten die Tür an. Männer in weißen Kitteln trugen die Toten in die bereitstehenden Spitalwagen. Obwohl es inzwischen weit nach Mitternacht geworden war, hatten sich Nachtschwärmer versammelt, die sich kostenlos das ziemlich traurige Schauspiel ansahen.
»Nachdenklich?« fragte Phil, der mir nachgekommen war.
»Du hast eben den Nagel auf den Kopf getroffen«, sagte ich. »Wir sind gewissen Leutchen unbequem geworden. Die Staaten-Bande fühlt sich auf den Schlips getreten und versucht uns abzuschrecken. Wir brauchen nur herauszufinden, warum und weshalb wir stören. Damit hätten wir dann eine ganz brauchbare Spur, die uns weiterführen kann.«
»Worauf willst du hinaus?«
»Dieser Dean mit der Narbe kann nur sauer reagiert haben«, erwiderte ich. »Was hast du eigentlich erreicht?«
»Schweigen auf der ganzen Linie«, erwiderte Phil. »Kein Mensch will diesen Narbenträger kennen.«
»Bei mir war es nicht anders«, antwortete ich. »Du kennst doch den lahmen Eddy, nicht? Wenn der schon Freibier ausschlägt und sich verdrückt, nachdem ich ihn nach Dean gefragt habe, dann kannst du dich darauf verlassen, daß dieser Dean unser Mann sein muß.«
»Das ist so gut wie ein Beweis«, pflichtete Phil mir bei. »Aber warum waren sie nur hinter dir her? Ich habe mich doch auch nach diesem Dean erkundigt.«
»Du hast eben nicht in einer heißen Zone nach ihm gefragt«, erwiderte ich. »In der Kante, in der ich mich rumgetrieben habe, muß Dean sein Quartier aufgeschlagen haben.«
»Das ist eine Erklärung«, gab Phil zu. Er wollte mir noch etwas sagen, aber er kam nicht mehr dazu. Abgesehen von dem Stimmengemurmel vor der Tür unten war es wieder ziemlich still in der Gasse geworden. Diese Stille aber wurde jäh durchbrochen. Ein Schuß peitschte auf, und ich wußte sofort, daß es sich nur um
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