0009 - Im Würgegriff der roten Masken
versuchte, auch noch das Nummernschild zu entziffern, bekam jedoch nur zu sehen, daß der Wagen aus London stammte, dann machte ihm der Nebel einen Strich durch die Rechnung.
»Die sind aus London«, sagte Tom.
Gloria hüllte sich enger in ihren Pelz. »Ob die was mit den aufgebrochenen Gräbern zu tun haben?«
»Unsinn«, antwortete der junge Arzt. Sehr überzeugend klang seine Stimme allerdings nicht.
»Und was machen wir jetzt?« fragte Gloria. Sie drängte sich wie schutzsuchend gegen ihren Freund.
Tom hob die Schultern. »Wir sehen uns das Grab an.«
»Gut, dann laß uns gehen.«
Sie schlugen den Weg zum Teufelshügel ein. Wie zwei Geister kämpften sie sich durch den Nebel. Der Weg führte bergauf. Auf den Wasserpfützen glitzerten dicke Eiskrusten. Sie waren hinterlistige Glatteisfallen.
»Stand auf dem Hügel nicht früher mal ein Galgen?«, wollte Tom Harris wissen.
»Ja, aber das ist schon lange her. Ende des letzten Jahrhunderts haben sie den Galgen umgehauen.«
»Nachdem zahlreiche Menschen dort aufgehängt worden sind«, entgegnete Tom bitter.
»Das war eben die Zeit.«
Der Teufelshügel war nur auf der unteren Hälfte mit Sträuchern und Büschen bewachsen. Auf dem oberen Teil wuchs das kniehohe Sumpfgras wie ein Teppich.
Und dort befanden sich angeblich auch die Gräber.
Der junge Arzt ging ein paar Schritte voraus. Plötzlich blieb er wie vor eine Wand gelaufen stehen. Gloria prallte fast gegen ihn.
»Was ist?« fragte sie.
Als Tom keine Antwort gab, drängte sie sich an ihm vorbei und schaute selbst nach.
Mit Mühe nur unterdrückte sie einen Ruf der Überraschung. Die Kinder hatten nicht gelogen. Die Erde auf dem Teufelshügel war tatsächlich aufgeworfen.
Tone Harris hatte in weiser Voraussicht eine Taschenlampe eingesteckt. Er holte sie hervor und ließ den Lichtstrahl umherwandern.
Vier Gräber lagen vor den beiden jungen Menschen. Sie waren ziemlich tief, tiefer als ein normales Grab. Die aufgeworfene Erde bildete kleine Hügel zu beiden Seiten der Gräber.
»Verstehst du das?« fragte Gloria mit zitternder Stimme.
Tom schüttelte den Kopf. »Mir scheint, als hätte jemand etwas gesucht«, murmelte er.
»Oder da ist wer aus den Gräbern gestiegen.«
Der Arzt blickte seine Freundin an. Sein spöttisches Lächeln erstarb allerdings auf den Lippen, als er Glorias Gesicht sah. Dem Mädchen war es sehr ernst.
»Ich habe Angst!« flüsterte Gloria. »Komm, laß uns gehen. Hier ist es mir nicht geheuer.«
Doch Tom war anderer Meinung. Die Gräber hatten seine Neugierde geweckt. Und da er den Weg schon einmal auf sich genommen hatte, wollte er auch genau erkunden, was es mit den Gräbern auf sich hatte.
»Wir bleiben«, entschied er. »Ich sehe mir diese Löcher mal genauer an. Vielleicht finde ich irgendwelche Spuren.«
Gloria hielt ihren Freund am Arm fest. »Nein, Darling, tu es nicht. Komm, wir gehen!«
»Ach, Unsinn, dir tut schon keiner was.« Tom Harris bückte sich. »Du hast mich schließlich neugierig gemacht, und jetzt gehe ich der Sache auch auf den Grund.«
Er stützte sich mit der linken Hand auf der feuchten Erde ab und sprang in das Grab hinunter.
»Alles okay«, rief er, als er unten gelandet war.
Gloria blickte sich ängstlich um. Eine Gänsehaut nach der anderen rann ihren Rücken hinunter. Obwohl Tom ganz in ihrer Nähe war, kam sie sich vor wie auf einer einsamen Insel. Um sie herum waberte der Nebel mit seinen grauweißen Schlieren, die hin und wieder wie lange Fangarme wirkten und nach allem zu greifen schienen, was sich ihnen in den Weg stellte. Das junge Mädchen fühlte sich von tausend Augen beobachtet. Sie hörte Stimmen wo keine waren. Ihre Mundwinkel zuckten. Nur mühsam unterdrückte Gloria die Tränen. Längst bereute sie den Entschluß, auf den Teufelshügel gegangen zu sein.
»Ich kann nichts finden«, unterbrach Toms Stimme ihre ängstlichen Gedanken. »Beim besten Willen nicht.«
»Dann komm wieder raus.«
Tom lachte. »Das ist leichter gesagt als getan. Das Grab ist verflucht tief. Daran habe ich vorher gar nicht gedacht.« Er reckte sich, und Gloria sah seine behandschuhten Hände über dem Grabrand auftauchen.
Die Erde dort war feucht. Tom rutschte ab.
»Mist, verdammter!« hörte Gloria ihn fluchen.
»Warte!« rief sie. »Ich reiche dir meine Hand, dann kannst du dich hochziehen.«
»Phantastisch, Darling. Du hast immer die besten Ideen.«
Gloria bückte sich und streckte ihren rechten Arm aus. Sie konzentrierte sich voll auf
Weitere Kostenlose Bücher