0009 - Im Würgegriff der roten Masken
diese »Rettungsaktion« und sah die Gestalt nicht, die wie ein Geist durch den Nebel schlich und sich lautlos dem ahnungslosen Mädchen näherte.
Es war einer der Maskierten.
***
»Eigentlich kannst du froh sein, einen Blöden wie mich gefunden zu haben«, sagte Suko. Er beugte sich auf dem Beifahrersitz so weit vor, als wolle er durch die Scheibe steigen.
»Wieso?« erkundigte sich John Sinclair.
»Frag mal einen normalen Menschen, ob der sich bei diesem Wetter durch die Gegend kutschieren läßt.«
John grinste. »Du bist ja nicht normal.«
»Sondern?«
»Wer gegen Geister, Dämonen und was weiß ich für Ungetüme kämpft, der kann gar nicht normal sein. Der muß, wie man so schön sagt, einen Stich haben. Und den haben wir beide.«
Suko nickte. »Nur gut, daß du dich selbst mit eingeschlossen hast. Sonst wäre ich auf der Stelle ausgestiegen und hätte dich allein durch die Suppe kutschieren lassen.«
»Und so was nennt sich Freund.«
John Sinclair lachte. Er und Suko waren wirklich ein seltsames Gespann. Suko – von Geburt aus Chinese und mit den Maßen eines wandelnden Kleiderschrankes –, sah zum Fürchten aus. Dabei hatte er jedoch das Gemüt eines Kindes. Suko konnte keiner Fliege etwas zuleide tun – vorausgesetzt, sie war nicht sein Feind. Ging es gegen die Mächte der Finsternis, kannte Suko kein Pardon. Da räumte er auf wie Herkules in der griechischen Antike. Und das mit bloßen Fäusten. Suko trug nie Waffen bei sich. Er beherrschte die ostasiatischen Kampftechniken im Schlaf, und John Sinclair hatte noch keinen Gegner erlebt, der Suko mit den Fäusten ebenbürtig war.
Mit seiner muffigen Stimmung kaschierte er momentan eigentlich nur seine gute Laune. Suko war froh, daß es endlich wieder rundging. Der letzte Fall hatte John Sinclair nach Deutschland in das Alptraum-Schloß geführt. [1]
Suko war in London geblieben. John hatte ihm berichtet und auch nicht den Schwarzen Tod vergessen, jenen Superdämon, der die Geschichte der Menschheit beeinflußt und John Sinclair den Kampf angesagt hatte.
Sobald es die Zeit erlaubte, wollte John sich näher mit dieser Figur beschäftigen. Er wollte nicht erst warten, bis der Schwarze Tod zuschlug, sondern selbst die Initiative ergreifen.
Doch jetzt mußte er sich auf die schlechte Wegstrecke und den Nebel konzentrieren, der Straßen und Wagen einhüllte wie in einen dicken Wattebausch.
John Sinclair hatte Jim Reads Aussagen nicht geglaubt. Nach dem Gespräch mit ihm war er zurück zum Yard gefahren, hatte dort mit Superintendent Powell, seinem Chef, gesprochen, und Suko mobil gemacht. John und der Chinese legten sich auf die Lauer. Und sie hatten Glück. In den Nachmittagsstunden verließen Bella und ihr Galan das Haus. Ihrem Gebaren nach in aller Heimlichkeit. Sie stiegen in einen Rover älteren Baujahrs und verließen London.
John setzte sich mit seinem Bentley hinter das Pärchen. Der Nebel war immer dichter geworden, je mehr sie sich von der Riesenstadt entfernten. Die Fahrt ging nach Westen, in die Provinz Berkshire. Jedoch nicht über die Autobahn, sondern über Nebenstrecken.
Schließlich bog der Rover in ein Sumpfgelände ab, das auch ohne den Nebel schon lebensgefährlich genug war.
»Langsam habe ich das Gefühl, der will uns auf den Arm nehmen«, meinte Suko. »Wo der hinfährt, da ist die Welt mit Brettern vernagelt.«
John wiegte den Kopf. »Warte es ab. Oder glaubst du im Ernst, unser Freund nimmt die Reise auf sich, wenn nichts dahintersteckt? Der hat ein Ziel.«
»Andererseits soll es Verrückte geben«, brummte Suko. Er fuhr sich über seinen Kopf, auf dem die wenigen Haare wie angeklebt lagen.
John Sinclair hatte immer darauf geachtet, die Rückleuchten des Rovers nicht zu verlieren. Hin und wieder ließ er sich zurückfallen, um aber dann wieder aufzuschließen.
»Wenn die von der Verfolgung nichts bemerkt haben, sind sie vollblind«, sagte Suko. »Ich an ihrer Stelle hätte langst reagiert.«
»Die sind ja nicht so schlau wie du.«
»Ja, ich war auch drei Jahre auf der Akademie!«
Die Flachserei hörte schlagartig auf, als ein alter Wegweiser gespenstisch aus der Nebelsuppe auftauchte. John Sinclair stoppte.
Wäre er wenige Minuten früher hier angekommen, dann hätte er noch Tom Harns und Gloria Dawson angetroffen. So aber kamen er und Suko sich ziemlich verlassen vor. John stieg aus, und auch Suko verließ den Bentley.
Um die Buchstaben lesen zu können, mußte der Geisterjäger nahe an das Schild heran.
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