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001 - Vampire unter uns

001 - Vampire unter uns

Titel: 001 - Vampire unter uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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den Kreißsaal. Zwei Ärzte standen an Marthas Bett. Sie sahen nicht auf, sie waren zu sehr damit beschäftigt, Martha festzuhalten und auf sie einzureden. Der eine gab ihr gerade eine Spritze.
    Die Schwester hielt das Kind im Arm. Sie blickte mir erschrocken entgegen.
    »Martha!« rief ich und stürmte zu ihr.
    Einer der Ärzte sah auf. »Es ist nichts Ernstes, Herr Mertens.
    Sie wird sich gleich beruhigt haben.«
    Martha sah mich nicht an. Ihre weit aufgerissenen Augen waren auf die Schwester gerichtet, auf das kleine, weißhäutige Wesen in ihren Armen.
    »Sehen Sie nur, Herr Mertens«, sagte die Schwester lächelnd und drehte sich um. »Sehen Sie nur, Ihr Sohn!«
    Ich unterdrückte nur mühsam einen Aufschrei des Entsetzens.
    Das Gesicht des Babys besaß deutlich erkennbare Züge.
    Nehmt es weg, dachte ich verzweifelt. Seht ihr nicht, wie es sie erschreckt? Seht ihr nicht, wie hässlich es ist, das kleine Monstrum? Seht ihr nicht, dass es aussieht wie ein Gnom, als wäre es bereits erwachsen, und nur der Körper hätte zu wachsen vergessen?
    »Ich verstehe das nicht«, meinte einer der Ärzte und wandte sich zu mir um. »Was hat Ihrer Frau nur einen solchen Schock versetzt? Ist es ein ungewolltes Kind?«
    »Ja«, erwiderte ich betäubt. »Seit diesem Augenblick weiß ich, dass es ein ungewolltes Kind ist. Wenn je eines ungewollt gewesen ist, dann dieses!«
    Ein Schreien folgte meinen Worten – ein Wutgebrüll, das die kleinen, aber doch schon so ausgeprägten Züge des Neugeborenen bis zur wohltuenden Unkenntlichkeit verzerrte.
    Die Züge von Willie Martin.
     

     
    Wie ist es nun mit den Toten?
    Besitzen sie tatsächlich eine Art von Leben – eines, das so unbegreiflich ist, dass der nüchterne Verstand seine Existenz leugnet? Seit Jahrtausenden beherrscht die Angst vor den Toten den Menschen. Die ungeheuerliche Welt jenseits – der Himmel? Die Hölle? Das Fegefeuer, im biblischen Sinn? Oder ein Kosmos voll der eisigen Kälte des reinen Intellekts? Gibt es so etwas wie ein höheres Bewusstsein, ein freies Ego, eine Seele, etwas, das nicht erlischt mit dem Kollaps des Gehirns, mit dem Abschalten des physischen Bewusstseins? Wenn ja, dann ist der Tod nichts anderes als ein Hinüberschreiten in eine neue Sphäre. Dann ist das Jenseits nur eine andere Dimension, aus der es eine Rückkehr geben kann, vielleicht sogar eine Wiedergeburt.
    Aber dieses pseudowissenschaftliche Mäntelchen aus Dimensionen und Transitionen konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass meine Phantastereien abergläubischer Natur waren. Es war plötzlich so mühelos, an Gespenster und Dämonen zu glauben. Es erklärte alles so perfekt. Wie sonst war es möglich, dass dieses Kind die Züge eines Toten besaß?
    Nach allem, was geschehen war!
    Solche Gedanken wälzte ich nun schon seit Tagen. Ich wusste, dass es auch Martha nicht anders ging, obwohl wir nicht darüber sprachen. Sie versuchte tapfer, ihr Entsetzen zu verbergen, wenn sie das Kind sah.
    Natürlich erkannten auch die Ärzte Marthas schockartige Aversion gegen das Baby, obwohl sie sie vorerst nicht erklären konnten, denn wir hüllten uns über die wahren Gründe begreiflicherweise in Schweigen.
    Sie brauchte es nicht selbst zu stillen, das wäre über ihre Kräfte gegangen. Dr. Felbermann, ein freundlicher, verständnisvoller junger Assistenzarzt, nahm sich Marthas und des Babys an, und meiner noch dazu. Mit psychologischem Instinkt fühlte er, dass er vor einer größeren Sache stand. Er war geduldig. Er drängte uns nicht zu Erklärungen.
    Über die ausgeprägten Züge des kindlichen Gesichts staunten natürlich auch die Ärzte. Es gab eine Reihe von Erklärungen von partieller Frühreifung bis Mutierung und Genverkümmerung, aber da ansonsten Schädel und Körper des Neugeborenen normal waren, ging man der Sache nicht weiter nach. Dr. Felbermann führte den Schock der Eltern auf das Gesicht zurück. Womit er zweifellos recht hatte.
    In diesen Tagen fasste ich den Entschluss, dass wir das Kind nicht behalten würden. Ich konnte es Martha nicht zumuten.
    Ich ließ mir von meinem Anwalt einen Termin geben, um mich über die gesetzlichen Möglichkeiten zu informieren.
    Am vierten Tag rief mich Dr. Felbermann im Büro an. Er schien sehr aufgeregt.
    »Herr Mertens, das Baby ist in Lebensgefahr!«
    »Was?« rief ich und versuchte mir darüber klar zu werden, ob es die Erlösung bedeuten würde, wenn das unheimliche Geschöpf starb.
    »Das Blut zersetzt sich auf unbegreifliche Weise.

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