001 - Vampire unter uns
vermag?
Denken Sie das?«
»Ich weiß nicht, was ich denken soll, um ehrlich zu sein«, sagte er müde. »Wir werden mehr wissen, wenn das Kind wieder auftaucht.«
Eine Woche verging, ohne dass man eine Spur fand.
Martha und ich waren uns gefühlsmäßig einig. Wir wünschten dem Kind nichts Böses, aber jeder neue Tag befreite uns mehr von unseren Ängsten. Wir beteten beinahe darum, dass Willie verschwunden blieb.
Eine zweite Woche verging. Die Behörden stellten die breit angelegten Untersuchungen ein. Man fühlte vor, welche Ansprüche wir geltend zu machen gedachten. Wir gedachten keine geltend zu machen.
Wir fühlten uns sehr unsicher. Es war klar, dass sich jemand des Babys bemächtigt hatte. Bei allen Wunderdingen, die bis jetzt ans Tageslicht gekommen waren, schien es dennoch unmöglich, dass es mit einem Alter von drei Wochen selbst aus dem Sanatorium geflohen war.
Irgend jemand hatte das Kind also gestohlen und würde früher oder später seinen Nutzen daraus ziehen.
Ein Wunderkind war sicherlich eine Kapitalanlage.
Man munkelte auch bereits von Spionage. Das war nicht ausgeschlossen, wenn man bedachte, welche Erkenntnisse aus dem phantastischen Metabolismus zu gewinnen waren.
Als ich am Montag der dritten Woche nach Hause kam, merkte ich sofort, dass etwas nicht stimmte. Martha sah blass und kränklich aus.
»Was ist mit dir?« fragte ich sie.
»Ich weiß nicht, Pet«, antwortete sie mit einem müden Lächeln. »Seit dem Nachmittag fühle ich mich ein wenig schwach. Es muss wohl die Anspannung sein. Dieses ständige Warten, dass sie ihn vielleicht doch noch bringen – und alles wieder von vorne beginnt.«
»Wir sollten Dr. Felbermann rufen«, schlug ich vor.
»Nein, Pet, das ist nicht notwendig. Ich bin nur ein wenig schwach und müde. Morgen werde ich mich wieder besser fühlen.«
Sie fühlte sich wirklich besser am nächsten Tag. Sie war noch immer ein wenig blass, aber sie wirkte frischer, agiler.
Am Donnerstag rief ich sie vormittags vom Büro aus an. Es war kurz vor halb zehn, aber sie meldete sich nicht. Vermutlich war sie einkaufen gegangen.
Ich versuchte es gegen elf wieder. Noch immer nichts. Von da an probierte ich es alle Viertelstunden bis eins. Endlich! Ihre Stimme klang geistesabwesend.
»Martha, wo bist du nur?«
»Pet? Wo … wo ich bin? Wo sollte ich wohl … O Gott, ist mir übel …!«
Ein lautes Geräusch folgte, als ihr Hörer gegen etwas prallte.
Hastige Schritte waren hörbar.
»Martha!« rief ich, von plötzlicher Angst gepackt.
Aber es war niemand mehr dran. Ich verließ sofort das Büro und fuhr, von dumpfen Vorahnungen erfüllt, nach Hause.
Martha lag auf dem Sofa, voll angezogen, in einem roten Kostüm, als wäre sie eben erst nach Hause gekommen.
Ihr Gesicht war leichenblass, ihre Haut eiskalt. Sie spürte meine Berührungen nicht. Ich fühlte nach ihrem Puls. Er schlug ganz leicht. Gott sei Dank!
Es roch nach Erbrochenem, und ich riss die Fenster weit auf, um frische Luft hereinzulassen. Der Telefonhörer pendelte an der Schnur. Ich nahm ihn und rief Dr. Felbermann. Er versprach, sofort zu kommen.
Inzwischen versuchte ich, Martha aus ihrer ohnmachtsähnlichen Reglosigkeit zu wecken. Ich hatte auch bald Erfolg.
»Weiß es nicht«, antwortete sie kraftlos.
»Wachte auf, als das Telefon klingelte … Deine Stimme … plötzlich drehte sich alles … ich …«
Sie brach hilflos ab.
Erstaunt sah ich sie an. »Du bist aufgewacht als ich anrief?«
Ich schüttelte verwundert den Kopf, als sie nickte.
»Ich lag im Bett, aber ich weiß nicht mehr, warum ich mich hingelegt habe. Vielleicht weil ich mich so elend fühlte wie jetzt.«
»Wann bist du zu Bett gegangen?«
Sie dachte nach. »Früh … glaub ich … es ist so schwer, mich zu erinnern …«
»Und wo wolltest du hin, als du aufgestanden warst?« fragte ich scharf.
»Als ich aufstand? Aber, ich wollte nirgends hin. Pet, ich sagte doch, das Telefon hat mich geweckt. Ich hörte noch deine Stimme, und dann …«
»Dann?«
»Wurde mir schlecht und ich lief zur Toilette. Dann schaffte ich es noch bis zum Sofa.«
»Warum hast du denn dieses Kostüm an? Das trägst du doch sonst nur, wenn du ausgehst!«
Sie sah an sich hinab, und Verwunderung kam in ihre Züge.
»Du hast recht, Pet. Ich verstehe das nicht.«
»Und noch etwas«, fuhr ich fort. »Ich war bereits im Schlafzimmer. Das Bett ist sauber gemacht. Darin hat niemand gelegen.«
Sie sah mich erschrocken an – so wie an jenem
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