001 - Vampire unter uns
Abend, als sie zum ersten Mal das Tonband hörte. Nur, dass sie jetzt noch bleicher war.
»Pet!« flüsterte sie, und ihre Augen waren weit vor Angst.
»Beginnt es wieder?«
Ich küsste sie und nahm sie fest in die Arme. Ja, es schien so, als begänne es wieder.
Aber was?
Gleich darauf klingelte es. Dr. Felbermann trat ein und begann sofort, Martha zu untersuchen. Schon nach wenigen Augenblicken sagte er: »Sie hat zu wenig Blut. Ich kann hier nichts tun. Wir bringen sie am besten in die Klinik.«
»Sie sah am Montag bereits sehr blass aus und fühlte sich nicht wohl. Aber wir dachten uns nichts dabei, weil es sich wieder gab.«
Er nickte nur. Wir nahmen seinen Wagen und fuhren Martha in die Klinik.
Und wieder einmal wartete ich, von Zweifeln gequält und von tausend Fragen gepeinigt.
Als Dr. Felbermann erschien, sah er sehr ernst aus. Ich befürchtete schon das Schlimmste und muss wohl kreidebleich geworden sein, denn er sagte rasch: »Ihrer Frau geht es gut, machen Sie sich keine Sorgen.«
»Was fehlt ihr?«
Der Arzt sah mich nachdenklich an. »Ich dachte erst, sie hätte Anämie, und glaubte schon, die Erklärung für alles gefunden zu haben: eine Vererbung auf das Kind …«
»Aber Martha litt nie zuvor darunter«, wandte ich ein.
»Es ist auch nicht Anämie. Ihre Frau ist vollkommen gesund.
Das Übel heißt Willie!«
Es kam wie ein Schock. »Willie?«
»Kommen Sie, Herr Mertens. Sie müssen es sich ansehen.«
Betäubt folgte ich ihm in den Transfusionsraum. Martha lag ruhig auf dem Bett. Sie schien zu schlafen. Dr. Felbermann trat zu ihr und winkte mir. Als ich neben ihm stand, schob er einige Strähnchen ihres hellbraunen Haares am Nacken zur Seite.
Zwei rote Punkte wurden sichtbar – Wundmale, wie die Einstiche einer dicken Injektionsnadel.
Aber ich wusste, das waren keine Stichwunden. Das war ein Bissmal! Von Willies scharfen, spitzen Eckzähnen.
Sanft drehte Dr. Felbermann Marthas Kopf auf die andere Seite. Sie wachte nicht auf. Auch hier schob er das Haar zur Seite und enthüllte eine zweite, ältere Bisswunde.
»Das ist die vom Montag«, sagte er.
Es gab keinen Zweifel: Willie lebte. Er befand sich irgendwo in der Stadt. Und er brauchte Blut.
Montag – Donnerstag! Drei Tage lagen dazwischen. In drei Tagen würde er vermutlich wieder Hunger haben.
Auf irgendeine Art hatte er vermocht – oder jemand für ihn –, an Martha heranzukommen. War sie doch fort gewesen? Ohne es zu wissen? Oder hatte man sie unter Drohungen gezwungen, es mir zu verschweigen?
Ich war froh, als Dr. Felbermann mir nahe legte, Martha wenigstens eine Woche zur Beobachtung in der Klinik zu lassen.
Ich war nicht nur froh, es erfüllte mich mit tiefer Befriedigung: Willie würde hungern müssen am Sonntag und die Tage danach – oder herauskriechen aus seinem Versteck.
Am Samstag versprach ich Dr. Felbermann, am Sonntag bereits am Vormittag in die Klinik zu kommen und den ganzen Tag über zu bleiben. Er befürchtete Komplikationen, auch wenn er immer noch nicht ganz an meine Argumente glaubte.
Wenn ich Willie als Vampir bezeichnete, runzelte er die Stirn.
Er gestand gewisse Parallelen zu, natürlich! Aber für ihn war es immer noch ein rein medizinisches Phänomen, während es für mich wenig Unterschied machte, dass diese Blutgier biologische Ursachen hatte.
Ein Vampir blieb ein Vampir, auch in unserem aufgeklärten Jahrhundert. Wenn man davon ausging, dass er das Sonnenlicht scheute, nachts wachte und Blut konsumierte – und aller Vernunft zum Trotz von einem Toten gezeugt worden war!
Während dieser Tage begann ich mich über Vampire zu informieren. Ich las alles, was ich über diese legendären Geschöpfe in die Finger bekommen konnte. Daraus ergab sich folgende Definition: ›Vampire sind lebende Tote, die nachts aus den Gräbern steigen und das Blut der Lebenden saugen.‹
Das war es, was die Menschen in früheren Jahrhunderten geglaubt hatten.
Willie war auch so ein Wesen, das sich von menschlichem Blut nährte. Vielleicht hatte es früher viel mehr von diesen Ungeheuern gegeben, die Menschen töteten, um ihren Hunger zu stillen, und für die die Nacht das schützende Element war.
Und der dunkle, feuchte Mutterleib! Wie viele Frauen mochten solch ein Monster in sich tragen, ohne es zu ahnen?
Ich hatte einen Traum, bevor die Türklingel wie eine Kreissäge in mein Bewusstsein schnitt.
Ich lag in einem seltsamen Raum, in dem mächtige Vorhänge das Tageslicht
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