001 - Vampire unter uns
töten!«
»Beruhigen Sie sich.«
Er drückte mich in den Stuhl zurück.
»Natürlich müssen wir es finden. Aber nicht töten. Bedenken Sie, welche wichtigen Erkenntnisse gewonnen werden können.
Ihr Kind ist ein Phänomen. Man muss alles darüber erfahren.
Dann können wir eines Tages vielleicht auch ihm helfen. Wir leben in einer Zeit, in der es gilt, Minderheiten zu studieren, nicht auszurotten.«
»Natürlich, Doktor. Sie haben recht.«
»Ich weiß, es ist nicht leicht für Sie, Herr Mertens.«
»Erzählen Sie weiter, Doktor«, bat ich ihn.
»Kurz vor fünfzehn Uhr erschienen Sie wieder. Sie kamen ein wenig taumelnd aus dem Haus, als wären Sie betrunken. Sie fuhren sofort los. Bis ich bezahlt hatte und aus dem Cafe kam, war Ihr Vorsprung so groß, dass ich Sie aus den Augen verlor.
Ich rief erst noch in der Klinik an, um zu erfahren, ob mit Ihrer Frau alles in Ordnung war, und gab Anweisung, niemanden zu ihr zu lassen. Dann fuhr ich hierher. Ich hatte eigentlich wenig Hoffnung, Sie hier zu finden, aber dann sah ich, dass der Schlüssel innen steckte. Es musste also jemand zu Hause sein.
Ich begann zu läuten. Den Rest wissen Sie ja.
Sie können noch nicht lange da sein. Der Lehm an Ihren Schuhen ist noch feucht. Er stammt von der Baustelle neben Malasses Haus. Wenn Sie also noch immer einen Rest von Zweifel an meinen Worten hegen, könnte eine Untersuchung dem ein Ende bereiten.«
Ich winkte ab. »Nein, ich glaube Ihnen, Doktor«, sagte ich müde. »Es gibt also keinen Zweifel. Willie muss bei diesem Malasse sein.«
»Es sieht ganz so aus.«
»Dann werde ich ihn aufsuchen … bewusst!«
»Vergessen Sie eines nicht«, warnte er. »Sie sind auch heute bewusst hingegangen.«
»Ja, aber diesmal bin ich gewarnt!«
»Es ist gefährlich.«
»Ich muss Klarheit haben – über beide Willies! Und Malasse kann sie mir verschaffen. Ich muss sie einfach haben, Doktor, sonst bin ich nicht mehr sicher. Gibt es ein Mittel gegen Hypnose?«
»Wenn die hypnotischen Kräfte stark genug sind, nein. Und ich habe das Gefühl, dass sie stark genug sind.«
»Ich auch«, stimmte ich zu. »Aber es wird nicht viel mehr geschehen, als dass ich zu Hause aufwache und einen Eimer Blut verloren habe. Das halte ich noch ein-, zweimal aus, was meinen Sie?«
»Im Augenblick nicht«, sagte er bestimmt. »In zwei, drei Tagen vielleicht. Aber erst müssen Sie zu Kräften kommen.
Versprechen Sie mir das – und Martha?«
Ich nickte. Nun, da ich endlich einen Plan hatte, fühlte ich mich sehr erleichtert.
»Ich war schon immer ein folgsamer Patient«, versicherte ich Dr. Felbermann.
Zwei Tage ließ er mich nicht aus den Augen, während ich vor Ungeduld fast verging. Aber ich kam wieder zu Kräften. Das war eine beruhigende Tatsache, die mich noch zuversichtlicher machte.
Felbermann besorgte mir einen Kassettenrecorder, den ich eingeschaltet in meiner Aktenmappe mitnehmen sollte. Er wollte mich begleiten, aber ich riet davon ab. Es erschien mir nutzlos. Wenn ich erst in Malasses Wohnung war, konnte er mir doch nicht mehr helfen. Entweder die Sache ging gut oder schief. Es genügte in beiden Fällen, wenn er mich am Abend in meiner Wohnung anrief, falls ich mich nicht selbst bei ihm melden sollte.
Am dritten Tag, es war der Mittwoch, suchte ich Philip Malasse auf.
Er wirkte freundlich, wenn auch ein wenig affektiert. Er war um die fünfzig, hatte fast weißes Haar, einen weißgesträhnten Spitzbart, und trug einen schwarzen, knöchellangen Mantel mit goldenen Motiven an Brust und Ärmeln.
Als er mich begrüßte, lächelte er ein wenig erstaunt.
»Herr Mertens! Ich habe Sie später erwartet.«
»Ah, Sie haben mich erwartet?«
»Natürlich. Sie hatten den Befehl, wiederzukommen. Heute um dreizehn Uhr. Jetzt ist es elf.«
Er betrachtete mich nachdenklich. »Sie müssen verstehen, ich arbeite sonst nicht so ungenau.«
»Ah, ja.«
»Aber kommen Sie herein, mein Lieber. Wichtig ist letztlich, dass Sie da sind.«
Er führte mich in sein Arbeitszimmer, das mich sofort an den Traum erinnerte: die antiken Möbel aus massivem, dunklen Holz. Die Vorhänge waren offen, und das Sonnenlicht wärmte den Raum. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es sonst kalt hier war – dunkel und kalt.
Herr Malasse bat mich Platz zu nehmen und deutete auf eine breite Couch. »Sie müssen sagen, was Sie zu mir geführt hat«, fuhr er fort, als ich saß, »damit ich den Fehler in meiner Arbeit finde.«
Unter der freundlichen Maske
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