0011 - Ich zerpflückte die Blütenbande
noch, wie Barber auf das Haus zuging, in dem wir uns befanden. Norma und ich sahen uns nur kurz an und handelten dementsprechend.
Ich zog mir schnell meine Jacke ab, löste die Krawatte und machte es mir bequem. Norma, die in ihr Schlafzimmer gegangen war, kam zurück und trug einen Hausmantel, der ziemlich gewagt war, aber zu einer Bardame passte. Als gegen die Tür geklopft wurde, zerzauste sie mir mein Haar und fuhr auch sich ebenfalls durch die prächtige schwarze Lockenpracht.
»Hallo, Barber?«, staunte ich, als ich die Tür geöffnet hatte. »Ist irgendetwas passiert?«
»Ich kam zufällig vorbei und wollte mir mal Ihre Freundin ansehen«, erwiderte Barber. »Hallo Kleines.«
»Hallo«, gab Norma gleichgültig zurück. »Nehmen Sie einen Drink?«
»Das ist Barber, ein Geschäftsfreund von mir«, stellte ich den Gangsterchef vor, damit Norma orientiert war.
»Freut mich«, sagte Norma und holte noch ein weiteres Glas aus dem Schrank. Barber verfolgte sie mit Blicken und ich traute meinen Augen nicht, als ich sah, wie er sich schlagartig für sie zu interessieren begann. Das hatte mir gerade gefehlt.
Barber gab sich sehr galant und freundlich. Er witzelte und seine Augen wichen nicht von meiner Kollegin, die auf dieses Spiel einging. Das war eine Einlage in diesem Spiel, mit der wir wohl alle nicht gerechnet hatten. Es tat Barber später ziemlich Leid, als wir uns verabschiedeten. Er wäre wohl noch gerne geblieben.
»Sie haben ja eine prächtige Freundin«, sagte Barber, als wir uns vor dem Haus verabschiedeten. »Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich sie mal ab und zu besuche, oder?«
»Natürlich nicht«, erwiderte ich. »Sie finden sie nett, aber ich möchte mich früher oder später doch absetzen. Sie wird mir zu teuer.«
»Wir sehen uns ja heute Abend noch«, sagte Barber. »Ich fahre gleich zu meinem Teilhaber, und wenn ich mich mit ihm geeinigt habe, können Sie sich die Strecke ansehen. Aber ich weiß schon jetzt, dass alles klappen wird.«
Barbers Wagen entfernte sich und ich ging weiter. Als ein Wagen neben mir leise hupte, blieb ich stehen und schaute mich um. In einem nagelneuen Ford saß Jane Tunner, die Freundin Barbers. Ich trat natürlich an den Wagenschlag und lächelte ihr zu.
»Steigen Sie ein, ich setze Sie vor Ihrer Pension ab«, schlug sie vor.
»Haben Sie auf mich gewartet?«, fragte ich.
»Ich war hinter Barber her«, erwiderte sie.
»Haben Sie Streit mit ihm?«
»Er will mich abhalftern«, sagte sie und lachte geringschätzig auf. »Ich mache mir nichts daraus, dass er sich anderweitig festlegen will. Aber ich will nicht ohne Geld auf die Straße gesetzt werden.«
»Hat Barber das denn vor?«
»Sie keimen ihn nicht«, erwiderte sie. »Er ist krank, das ist meine Meinung. Er gehört in ein Irrenhaus. Ich kenne ihn länger als all die Jungens, die für ihn arbeiten. Er will der Chef werden, und er wird jeden niederschießen, der sich ihm entgegenstellt.«
»Er ist doch der Chef.«
»Er ist Befehlsempfänger«, erwiderte sie auflachend. »Er muss genau so springen wie Sie, Burns. Ich weiß genau, dass er einiges plant. Und ich rechne damit, dass er mich eines Tages erschießen lässt. Mir hat er einmal von seinen Plänen erzählt und ich weiß, dass er den Chef übers Ohr hauen will.«
»Warum sagen Sie das ausgerechnet mir?«
»Weil ich weiß, dass Sie der Mann sind, um Barber reinzulegen«, erwiderte sie.
»Und was würde der sagenhafte Chef dazu sagen?«
»Der würde Barber hochnehmen lassen«, meinte sie in sehr sicherem Tonfall. »Wenn Sie aufpassen, Burns, dann können Sie Barbers Nachfolger werden.«
»Ihrer Meinung nach, wie?«
»Ich bin sicher, dass der Chef längst weiß, wie gut sie sind«, erwiderte sie.
»Er kennt mich doch überhaupt nicht«, meinte ich in ungläubigem Ton.
»Aber ich kenne ihn«, sagte sie. »Und ich weiß, dass er auf der Hut ist. Er ahnt bestimmt was Barber plant.«
»Sie wollen den Chef kennen?«
»Und ob ich ihn kenne«, gab sie etwas zu sehr an. »Sie würden Augen machen, wenn Sie dahinter kämen.«
***
Ich sah mir die Strecke sehr genau an.
Natürlich wusste ich, wo die Papierfabrik lag. Ich kannte den Weg, den das Spezialpapier nahm. Es wurde von Lastwagen zur Bahn gebracht und dann von dort zur Staatsdruckerei weiterbefördert. Das alles wurde von der Polizei zwar überwacht und abgeschirmt, aber nicht durch Spezialeinheiten abgesichert. So kostbar das Papier auch war, noch war es nicht bedruckt und galt nicht als
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