0011 - Ich zerpflückte die Blütenbande
geöffneten Tür. Seine hellen, flackernden Augen lagen auf uns.
Einer der Gangster stand auf, nahm ein Glas hoch und schwankte auf Barber zu, um es ihm anzubieten. Barber schlug das Glas zur Seite, dass der Gin gegen die Wand tropfte. Der Gangster starrte seinen Chef völlig entgeistert an.
»Ich habe doch gesagt, dass nicht getrunken werden soll«, stellte Barber in seiner sanften Tonart fest. »Wer hat damit angefangen?«
Sie schwiegen alle wie gescholtene Schulkinder. Ich stand auf und wies mit dem Damen auf meine Brust.
»Sie haben damit begonnen, Burns?«, fragte er.
»Etwas dagegen?«, erwiderte ich. Ich wollte sehen, wie weit Barber ging. Er hatte vor, Phil Decker abzuknallen, er konnte auch zu dem Entschluss gekommen sein, mich fertig zu machen. Ich musste wissen, woran ich war.
»Sie haben schon einmal zu viel getrunken«, sagte Barber zu mir und kam auf mich zu. Er lächelte mich sanftmütig an, aber ich ahnte, dass hinter diesem Lächeln nackter Mord stand. Als er dicht vor mir stand, verabreichte er mir plötzlich eine Maulschelle, und zwar mit der Außenseite seiner Hand.
Als er einen Schritt zurücktreten wollte, langte ich zu. Ich traf ihn voll am Kinn. Er war diesem Schlag nicht gewachsen. Er flog gegen die Wand und rutschte daran haltlos zu Boden. Harper, der mitgekommen war, wollte in seine Rocktasche greifen. Ich war aber viel schneller. Meine Kanone lag wie durch Zauberei in meiner Hand.
»Tu’s nicht, Harper«, sagte ich und lächelte genau so sanft wir Barber. Ich wich gegen die Wand zurück, damit man mich nicht von hinten angreifen konnte. Aber meine Vorsicht war unbegründet, jetzt wenigstens noch. Die angetrunkenen Gangster grienten genussvoll, als ihr angeschlagener Chef zu stöhnen begann. Ich hatte ihnen wohl aus der Seele gehandelt und geschlagen. Barber war sehr gefürchtet und man gönnte ihm diese Abfuhr.
»Das machen Sie besser nicht noch einmal«, sagte Barber, als er wieder auf den Beinen war. Er wich eigenartigerweise meinem Blick aus und rieb sich das angeschlagene Kinn. »Ich nehme an, dass Sie betrunken sind.«
»Das überlasse ich Ihnen«, erwiderte ich. Ich sah in dieser Antwort keinen Witz, aber einer der Gangster am Tisch grinste hörbar auf. Im gleichen Moment feuerte Barber aus der Tasche heraus. Er traf den Mann, der wie von einer unsichtbaren Faust von seinem Stuhl geschmettert wurde. Barber, der sich etwas vorgebeugt hatte, lächelte sanft und irr. Seine Lippen bewegten sich, als formten sie unhörbare Worte.
»Schafft ihn weg«, sagte Barber lächelnd. »Wenn ich noch einmal sehen sollte, dass getrunken wird, dann…«
Er brauchte seinen Satz nicht zu beenden. Er war verstanden worden und seine Leute duckten sich. Ich aber lächelte Barber verständnisvoll an und eigenartigerweise erwiderte er dieses Lächeln.
»Burns«, sagte er zögernd, als suche er nach Worten. »Kommen Sie mit, ich habe noch was für Sie.«
Als ich an den Gangstern vorbeiging, las ich in ihren Augen bereits meine Todesanzeige.
***
»Was haben Sie heute vor?«, fragte mich Barber, als wir im Wagen saßen.
»Was haben Sie überhaupt vor?«, fragte ich zurück.
»Wie soll ich das verstehen?«
»Ich habe keine Lust, mich eines Tages abschlachten zu lassen«, war meine Antwort. »Sie arbeiten etwas zu schnell mit der Kanone, Barber. Wann bin ich an der Reihe?«
»Sie sind verrückt«, stellte Barber fest. Dann setzte er ironisch hinzu: »Haben Sie Angst vor mir?«
»Gegen einen Rückenschuss ist kein Kraut gewachsen«, meinte ich.
»Ich habe nichts gegen Sie«, erklärte Barber mir. »Über den Niederschlag wollen wir nicht mehr reden. Kein Mensch denkt daran, sich erschießen zu lassen. Ich habe noch eine Menge mit Ihnen vor.«
»Ich bin ein neugieriger Mensch.«
»Na gut, ich habe mit meinem Teilhaber über Sie gesprochen. Er meint wie ich, dass man sie verwenden kann. Wir haben noch sehr viel vor.«
»Barber«, sagte ich da kühl. »Ich glaube Ihnen kein Wort. Ich habe sogar große Lust, auszusteigen. Sie wollen mich nur ausnehmen. Wenn die Papieraktion vorüber ist, werde ich meine Fahrkarte von Ihnen bekommen. Davon bin ich fest überzeugt. Aber verlassen Sie sich darauf, dass ich das nicht mitmachen werde. Ich bin schließlich kein Anfänger.«
Barber lachte leise auf.
»Was wollen Sie eigentlich?«, fragte er dann. »Welche Vorwürfe können Sie mir machen?«
»Entweder arbeite ich vollwertig mit, oder aber ich setze mich ab, und zwar sofort«, war meine Antwort.
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