0012 - Lebendig begraben
selbst ein Skelett zu Boden, wurde aber von zwei anderen von hinten gepackt. Ich änderte die Richtung und hechtete auf Fenton zu.
»Neiiinnn!« brüllte er mir entgegen. »Nicht, John – in den Brunnen. Schnell! Mir kann keiner mehr – ahhh…« Eine Keule traf ihn in der Mitte des Körpers. Es war grausam.
Ich wandte mich ab. Meine Helfer hatten es tatsächlich geschafft und mir den Weg zum Brunnen freigehalten. Lange konnte ich nicht mehr warten. Die Skelette hatten sich inzwischen formiert und räumten unter den Angreifern auf. Sie waren ihnen körperlich weit überlegen, und wieder wurde mir klar, mit welch einer Todesverachtung sich diese Leute für mich opferten. Ich konnte meine Dankbarkeit kaum in Worte fassen. Stolpernd, rennend und taumelnd näherte ich mich dem Brunnen. Doch da stand auf einmal ein Skelett vor mir. Weit holte es mit der Keule aus. Es konnte mich gar nicht verfehlen. Im vollen Lauf schleuderte ich das Messer. Die geweihte Waffe flirrte durch die Luft, bohrt sich wuchtig in den knöchernen Schädel des Dämons. Wie ein Brett kippte das Skelett nach hinten und lührte sich nicht mehr.
Endlich war der Weg frei.
Hart prallte ich gegen die Brunnenmauer, soviel Schwung hatte ich vom Lauf noch drauf. Ich verlor das Gleichgewicht, sah auf eine wie Quecksilber schimmernde Fläche, schaltete jeden Gedanken aus und stürzte mich kopfüber in den Brunnen. Der Kampflärm blieb zurück – die Unendlichkeit nahm mich auf…
Zarcadi triumphierte! Er hatte John Sinclair ausgeschaltet, hatte ihn in sein ureigenstes Reich geholt, in dem die Wächter seine Forderungen erfüllten und im Land der toten Götter Wache hielten. Bei ihm, dem Schwarzen Tod, liefen die Fäden zusammen. Er war das Bindeglied zwischen dem Satan und der Menschheit. Augenblicklich trat er als Professor Zarcadi auf. Er konnte aber auch als Fußballspieler oder Wanderprediger durch die sichtbare Welt ziehen. Dem Schwarzen Tod waren da keinerlei Grenzen gesetzt.
Aber ihn faszinierte das Geigenspiel nun mal. Vor allem, wenn er dadurch in die Lage versetzt wurde, Menschen zu beeinflussen. Die Melodie, auf eine bestimmte Art gespielt, brachte Menschen in seine Abhängigkeit. Aber das war Zarcadi noch nicht genug. Er wollte mit seinem Geigenspiel den Tod überlisten, wollte die Toten in Lebende verwandeln. Nachts sollten sie aus ihren Gräbern steigen und wie eine Flut das ganze Land überschwemmen.
Panik, Chaos und Entsetzen waren Trumpf. Zarcadi malte sich aus, wie es sein würde, wenn Kinder ihrem Vater gegenüberstehen würden, der schon einige Jahre tot war. Der Schwarze Tod, alias Zarcadi, wollte die hochtechnisierte Welt in einem Brückenkopf des Teufels umfunktionieren. Er hatte sein Landhaus verlassen, befand sich nun in Orlington, um alles für den großen Augenblick vorzubereiten. Die Bewohner waren in seiner Hand. Sie hatten keinen freien Willen mehr und würden ihm helfen, auch wenn es ihr eigenes Leben kostete.
Aber Zarcadi wußte auch, daß er Gegner hatte. John Sinclairs Freunde hatten sich in Orlington eingenistet. Als besonders gefährlich schätzte er diesen Chinesen ein, der sich vor nichts zu fürchten schien. Ihm und den beiden anderen sollte es zuerst an den Kragen gehen.
Zarcadis Landhaus lag leer und verlassen inmitten des Waldes. Er brauchte es vorläufig nicht mehr. Ebensowenig wie das Treibhaus, mit dem es eine ganz besondere Bewandtnis hatte. Es war die Quelle der Schwarzen Magie. Zahlreiche Menschen hatten es schon zu spüren bekommen, alle, die sich gegen Zarcadi gestellt hatten. Sie lebten weiter, jedoch nicht als Menschen, sondern als Pflanzen. Nur Zarcadi wußte davon, nicht einmal Frank Scott, einer seiner treuesten Diener. Und Scott, der sich von Sukos Niederschlag nur schwer erholt hatte, taumelte durch den Wald. Immer wieder stöhnte er auf, hielt sich dabei seinen Kopf, der schmerzte, als wolle er auseinanderplatzen. Er murmelte Flüche und Verwünschungen. In seiner Brust stieg das Gefühl der Rache und Vergeltung wie eine Flamme hoch. Er wollte es dem Chinesen zurückzahlen. Mit Zarcadis Hilfe mußte ihm das einfach gelingen. Scott merkte nicht, daß er vom Weg abkam und auf das Treibhaus zusteuerte. Auf ein Treibhaus, das zu einer Brutslätte des Bösen geworden war. Zarcadi hatte es so gewollt. Er zog den schützenden Schirm zurück und überließ alles der natürlichen dämonischen Entwicklung. Sie paßte haargenau in sein Konzept. Die Toten stiegen aus den Gräbern, und die
Weitere Kostenlose Bücher