0014 - Der schwarze Henker
schimmern.
Ein eiserner Haken stand etwas hervor. Er war an einer Öse befestigt.
»Zieh die Tür hoch!« befahl Riley.
Glenda gehorchte. Sie bückte sich. Ihre Finger umschlossen das kalte, rostige Metall.
Quietschend wurde die Falltür in die Höhe gezogen. Dreck und Staub rieselten in eine dunkle, unergründliche Tiefe.
Riley leuchtete mit der Kerze, und Glenda sah die ersten Stufen einer Holztreppe. »Nimm die Kerze!«
Glenda nahm sie mit zitternden Fingern entgegen.
»Da hinunter!« befahl der Mann.
Glenda gehorchte. Sie hatte das Gefühl, ihre Knie waren aus Pudding, als sie die wurmstichige Treppe hinunter stieg. Hinter sich vernahm sie die Stimme des Verbrechers.
»Sie kommt, Moro. Sie kommt. So wie du es gewünscht hast!«
Glenda blieb stehen. Der Schreck saß wie ein großer Eiskristall in ihrem Körper. Dort unten im Keller lauerte der Henker. Er wartete auf das Opfer, wartete auf sie… Grausam…
»Weiter, geh weiter!«
»Neinnn…, ich will nicht sterben. Nein… nicht…«
Angst und Panik bemächtigten sich des jungen Mädchens. Sie machte sich steif, wollte sich herumwerfen, da traf sie ein harter Schlag in den Rücken.
Glenda wurde nach vorn katapultiert, verlor den Halt, übersah die Stufen und fiel. Sie rollte die Treppe hinunter, spürte die Kanten der Stufen in ihrem Rücken, prellte sich die rechte Schulter, verlor die Kerze, die sofort erlöschte und blieb liegen.
Vor der Treppe und unverletzt.
Glenda hatte großes Glück gehabt.
Über ihr knallte James Riley die Falltür zu. Dunkelheit hüllte sie ein. Kein Fetzen Licht drang in den Keller.
Zwei, drei Sekunden blieb Glenda Perkins unbeweglich liegen. Plötzlich hörte sie ein gräßliches Stöhnen und Ächzen. Danach ein Scharren und Schleifen. Unheimliche Geräusche.
Glenda Perkins begann, vor Angst zu wimmern. Aus weit aufgerissenen Augen starrte sie in die Dunkelheit.
Dann sah sie einen goldenen Schimmer. Etwa dort, wo sich die Decke befinden mußte.
Tränen verwischten ihren Blick, ließen sie alles nur verschwommen sehen. Sie wischte sich über die Augen.
Ihr Blick wurde klarer.
Glenda richtete sich auf, kam auf die Knie und stützte sich mit beiden Händen ab.
Jetzt sah sie besser. Der goldene Schimmer hatte Konturen angenommen. Zu einem Totenschädel. Und der gehörte Moro, dem Henker.
***
Die Zigarre klebte Inspektor Harris im rechten Mundwinkel. Der speckige Hut war in den Nacken gerutscht und gab eine Stirnglatze frei. Zwei Augen musterten mich teils wachsam, teils spöttisch.
»Guten Tag«, grüßte ich.
Der Inspektor nahm nicht einmal seine Hände aus den Manteltaschen.
Ich lächelte. Noch. »Inspektor Harris, wenn ich mich nicht irre?«
»Sie irren nicht«, erwiderte er. Seine Männer sahen mich an. Auch in ihren Augen las ich, was sie von mir hielten.
Das ist ein Spinner!
»Mein Name ist John Sinclair. Ich bin Yard-Beamter und komme aus London. Auf meine Veranlassung sind Sie gerufen worden.«
Harris nickte. »Das war auch nötig.« Er deutete auf den toten Pfarrer. »Ganz normaler Mord, wie?«
Ich gab ihm recht.
Er blieb weiter am Ball. »Und auch ohne übersinnliche Kräfte ist der Mord geschehen.«
»Möglich.« Ich trat näher und zeigte auf das Messer. Es lag auf dem Tisch in einer Plastikfolie. »Haben Sie die Waffe schon auf Prints untersucht?«
»Noch nicht. Aber Geister hinterlassen ja keine Fingerabdrücke«, entgegnete Harris bissig.
Ich atmete tief ein. »Worauf wollen Sie eigentlich hinaus, Inspektor?«
Er grinste und steckte sich seine erloschene Zigarre an. »Ich habe von Ihnen einiges gehört, Herr Kollege. Sie scheinen ja einen ziemlichen Wirbel zu veranstalten. Von wegen Spuk, Geister und so, Mann, Sinclair, ich habe das Theater hier mitgemacht. Beim letzten Mord. Das ist ein Irrer und kein aus dem Grab Entstiegener. Schminken sie sich das endlich mal ab.«
»Wobei das eine das andere nicht ausschließt«, sagte ich.
Inspektor Harris paffte dicke Qualmwolken und starrte mich entgeistert an. »Sind Sie eigentlich noch normal, Kollege?«
Mir platzte langsam der Kragen. Ich hatte schon mit vielen Kollegen zu tun gehabt. Aber soviel Borniertheit und Arroganz war mir selten untergekommen.
»Inspektor Harris«, sagte ich förmlich. »Ich mache Sie nur ungern auf meine Sondervollmachten aufmerksam, aber in Ihrem Fall bleibt mir leider keine andere Wahl. Ich habe in diesem Fall die Oberleitung. Bitte, tun Sie Ihre Pflicht, Sie haben hier einen meiner Meinung nach stinknormalen
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