0015 - Der Morddämon
Jüngste versuchte zu fliehen. Er hatte wie gelähmt mitangesehen, was mit seinem Kameraden geschehen war. Wenn er nicht ebenso grausig sterben wollte, half ihm nur die Flucht. Sein Bewußtsein weigerte sich einfach einzusehen, daß er sterben sollte mit seinen zweiundzwanzig Jahren.
Er warf sich herum und sprang mit langen Sätzen die sanft abfallenden Felsen hinunter. Er bewegte sich dabei auf den Kreis der Changs zu. Erst dicht davor stockten seine Schritte. Doch dann beschloß er, aufs Ganze zu gehen. Er näherte sich der grauen Kette lächelnder Chinesenpuppen, nahm Anlauf und schoß wie eine rasende Lokomotive auf die Absperrung zu.
Er rammte mit seinem Kopf einen Chang und fegte ihn zur Seite.
Er hetzte weiter.
Aber sie waren hinter ihm her, eine Meute gieriger Dämonen.
Keiner entkam ihnen.
Sie erwischten ihn vier Minuten später, als er auf einem Felsstück ausgeglitten und hingefallen war.
Gleich zu sechst warfen sich die Changs über ihn.
Sie zerkratzten sein Gesicht, bohrten ihm die spitzen Finger in die Augenhöhlen. Sein grausiger Schrei brach ab. Als die lebenden Toten von ihm abließen, war sein Körper nicht mehr als Mensch zu erkennen.
Der dritte Soldat schließlich starb am schmerzlosesten.
Er wehrte sich verbissen und kam dabei an einen spitzen Schneidefinger eines Changs.
Er spürte nicht mehr, wie die mörderischen Klauen in seinen Brustkorb stießen.
Einer der Changs kam mit dem kleinen Kupferkessel, der an einer kleinen Kette hing, und sammelte die drei erbeuteten Menschenherzen ein.
Die Roboter schlugen inzwischen die kleine Holzbaracke kurz und klein und zerfetzten die Fahne Ihrer Majestät.
Sie zerrissen die Dienstbücher, zerbrachen die Militärflinten und zertrampelten die Handfeuerwaffen.
Dann zerstörten sie die in jeder Außenstelle befindlichen Tränengasbomben und Reservemunition, indem sie die vollen Behälter in eine Schlucht hinunterwarfen.
Die graue Masse der Vernichtung formierte sich wieder.
Voran marschierten die zehn Roboter. Ihnen folgten die Dämonen in der starren lächelnden Chinesenmaske.
Alles war genau nach Ming-Lis Befehl geschehen. Der große Erlauchte würde mit ihnen zufrieden sein. Der zweite Schritt der Vernichtung war getan.
Ming-Li war der Größte. Der Herr der Erde.
***
Nicole Duval rümpfte die Nase.
»Na, bitte, hab’ ich es nicht gesagt, Chef? Mein Magen knurrt ganze Opern. Wenn ich auf Sie angewiesen wäre, müßte ich glatt verhungern.«
Zamorra lachte. »Ich möchte Ihnen Mr. Chu Siang vorstellen, einen Ingenieur aus dem S. M. P.-Unternehmen.«
Der junge Chinese warf Nicole einen bewundernden Blick zu und wartete, bis ihm Platz angeboten wurde.
Bill Fleming zerdrückte seine Zigarette. »Wollen Sie einen Drink, Mr. Siang? Vielleicht einen Bourbon on the rocks?«
»Bei dieser Hitze, Sir? Keinesfalls.« Der Chinese lächelte. »Da würde ich lieber einen heißen Tee vorziehen.«
Nicole runzelte die Stirn. »Einen heißen Tee?«
»Heiße Getränke sind bei solchen Temperaturen viel gesünder«, erklärte Chu lachend. »Bei kalten Getränken bildet sich im Körper durch den Kontrast ein Widerstand, er erzeugt erhöhte Hitze und…«
»Und dann schwitzt man«, schloß Zamorra Chus Satz und führte das Kognakglas zum Mund. »Boy, einen Tee für meinen Freund, Mr. Siang.«
Der Boy im weißen Kellnerkittel entfernte sich.
»Wo waren Sie eigentlich, Chef? Bin ich deshalb mit Ihnen nach Hongkong gekommen, um ständig auf Sie zu warten?«
»Vielleicht muß ich Ihnen heute noch etwas Wichtiges diktieren.«
»Was denn?«
»Abwarten.« Zamorra nickte über den Tisch hinweg Bill Fleming zu. »Hat man sich inzwischen im Filmteam über den Mord an Nancy Chaokin beruhigt?«
»So kurz danach? Wo denkst du hin? Sie brechen die Filmaufnahmen ab und warten nur, bis die Polizei ihre Aussagen zu Protokoll genommen hat. Dann reisen sie in die Staaten zurück. Vor allem Regisseur Lemmon steht dicht vor einem Nervenzusammenbruch.«
»Es muß entsetzlich gewesen sein, das mit ansehen zu müssen«, sprach Nicole leise. »Wir kamen ja zum Glück, als es schon passiert war. Chef, können wir nicht abreisen? Noch nie war mir so unheimlich zumute.«
»Es geht nicht, Nicole. Noch nicht…« Professor Zamorra starrte an seiner reizenden Sekretärin vorbei. »Kennen Sie die alte Pagode oberhalb des großen Friedhofs?« wandte er sich an Chu Siang.
Der Chinese nickte. »Gewiß. Das ist ein uraltes Bauwerk, das damals zu Ehren des Kaisers Ching
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