0015 - Der Morddämon
wann?«
»Nun, so ein hoher Besuch, bedarf gewisser Vorbereitungen«, sagte Chu höflich. »Morgen abend, Miß Duval?«
»Gern. Ja, Chef? Morgen abend? Und wenn Ihre Dämonen noch so verrückt spielen, Sie gehen mit mir zu Mr. Siang und A Luli, einverstanden?«
Der Professor warf einen komischverzweifelten Blick an die niedrige, mit Glasplatten verzierte Decke des Speiseraums, »Diese Frauen«, sagte er. »Als ob alles andere unwichtig wäre. Aber gut, einverstanden. Wenn wir bis morgen abend nicht…« Er sprach nicht weiter. Bill Fleming verstand ihn.
»Ich möchte auch mitkommen, Mr. Siang«, sagte Bill. »Ich bin zwar Historiker und Naturwissenschaftler. Aber ich war noch nie in einem typisch chinesischen Haus eingeladen.«
»Meine Ahnen«, sagte Chu, »sind immer dabei. Vielleicht werden Sie sich darüber wundern, aber ich bin ein sehr altmodischer Chinese und habe in meiner Wohnung das Allerheiligste aufgestellt. Es handelt sich dabei um einen schwarzlackierten Tisch, auf dem ich eine Menge roter Holztafeln aufgestellt habe, in welche mit goldenen Buchstaben die Namen der verstorbenen Verwandten eingraviert sind. Vor jeder brennen rote Wachskerzen. Eine Porzellanschale mit Früchten und Backwerk steht daneben als Symbol, daß die Nachkommen sich der Toten erinnern.«
Es war ein seltsamer Kontrast: der gut aussehende, smarte Chu Siang, leitender Ingenieur einer britischen Firma in Hongkong, und die alten Sitten der Chinesen.
»Es würde mich interessieren«, fragte Zamorra in die Stille des Staunens hinein, »ob Sie auch eine kleine rote Tafel für Ihren Onkel Wu Siang aufgestellt haben.«
»Gewiß. Er hat einen Ehrenplatz in dem Allerheiligsten direkt neben meinen hochverehrten Eltern erhalten. Ich muß ihn für tot halten, weil ich seine Adresse nicht weiß, Professor.«
***
»Was haben Sie da unter dem Tuch, Chef?« wollte Nicole wissen. Sie hatten schon um halb neun Uhr morgens mit dem Aufstieg begonnen.
»Nicht so neugierig sein, Nicole!« wehrte der Professor ab. Er stand mit Bill Fleming und seiner Sekretärin auf dem großen Platz, der sich rund um die Pagode ausbreitete. »Hoffentlich kommt Chu Siang mit dem Schlüssel.«
»Ich nehme an, daß man sich auf ihn verlassen kann«, erwiderte Bill Fleming. Er sah zu den verschiedenen Stockwerken der Pagode hinauf. »Wie alt soll diese Pagode sein? Fünfhundert Jahre?«
»So sagte Mr. Siang«, bestätigte der Professor.
Nicole Duval trug heute einen weißen Tropenanzug und hohe, bis zum Knie reichende Sommerstiefel. »Da drin wird es vermutlich von Ratten und solchem Getier wimmeln.«
Der Professor nahm den in ein Tuch eingepackten Flammenwerfer in die andere Hand. Er war am Vorabend mit dem Inspektor zum Polizeigebäude gegangen und hatte sich dort von ihm – zu treuen Händen – zwei Flammenwerfer aushändigen lassen. Der Inspektor war mit den Nerven so fertig, daß man alles von ihm haben konnte.
Nur von dem Schlüssel zur Pagode hatte Zamorra nichts erwähnt.
Er wollte nicht, daß Brewster ihm dort in die Quere kam.
Einen der beiden Flammenwerfer hatte er noch in der Nacht Mr. Siang gebracht.
Ständig musterte Zamorra die Umgebung. Daß Nicole unbedingt darauf bestanden hatte mitzukommen, mißfiel dem Professor. Wenn seine Ahnungen sich erfüllten, dann würde man bald Bekanntschaft mit den Changs machen, diesen unheimlichen, atmenden Leichen, die so grausam morden konnten.
Der Professor hatte an einem Kiosk ein kleines Silberkettchen – ähnlich seinem verlorengegangenen – gekauft und daran wieder das Amulett um seinen Hals befestigt. Einen der Changs hatte er zwar damit besiegen können, aber wenn viele solcher Dämonen ihn bedrängten, würde die Macht des kleinen Amuletts wohl nicht ausreichen.
Der Professor war unruhig. Seine Sicherheit und die seiner Freunde stand auf sehr wackligen Füßen. Gegen die Roboter hatten sie zwei Flammenwerfer. Etwas wenig für fünfzig dieser wandelnden Computer. Und wie viele Changs es gab, ahnte der Professor nicht einmal… »Ich würde Ihnen gern eine Sonderzulage von hundert Dollar aussetzen, Nicole, wenn Sie schleunigst wieder in die Stadt hinuntergingen und dort ausgiebig einkaufen würden.«
Nicole hob den Kopf. Ihre braungoldenen Augen schillerten. »Geben Sie sich keine Mühe, Chef, ich bleibe. Sie brauchen wenigstens einen Menschen in Ihrer Nähe, der seinen klaren Menschenverstand behält.« Sie legte die Hand über die Augen. »Ich glaube, da kommt unser vortrefflicher Mr.
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