0015 - Der siebenarmige Tod
nach dem anderen aufmerksam betrachtete.
Das Telefon schlug lästig schrill an. John hob ab. »Ja?«
»Jane Collins«, sagte Glenda frostig, denn sie wußte, wie dick John mit diesem Mädchen befreundet war, und das behagte ihr ganz und gar nicht. »Ihre Stimme klingt so, als hätte man ihr etwas ganz Schlimmes angetan.« Johns Sekretärin stellte den Anruf durch. Janes Stimme war tatsächlich stark verändert. Das bewirkte, daß sich sofort Johns Kopfhaut zusammenzog. Er witterte, daß irgend etwas passiert war, das ihm nicht gefallen würde.
»Na, Jane. Was macht Tony! Schläft er?«
»John, es tut mir ja so leid…«
»Was ist passiert?« fragte John aufhorchend.
»Tony ist weg.«
»Weg? Wie soll ich das verstehen?«
»Der Junge wurde von Red Rozzo gekidnappt.«
John spürte Eiswasser durch seine Adern rinnen. »Zum Teufel, wie konnte Rozzo denn wissen, daß Tony Shamrock bei dir ist?«
»Er hat ihn nicht aus meiner Wohnung entführt…«
»Sondern?«
Jane berichtete die ganze verflixte Geschichte so, wie sie sich zugetragen hatte. Sie beschönigte nichts, ließ nichts weg, fügte nichts hinzu. Johns Kiefer mahlten, während er Janes Worten lauschte. Als sie geendet hatte, sagte er mit erhobener Stimme: »Herrgott noch mal, habe ich dich nicht gebeten, den Jungen nicht aus deiner Wohnung zu lassen? Warum hat er denn nicht geschlafen?«
»Er machte sich Sorgen um seinen Großvater. Keine zehn Pferde hätten ihn in meiner Wohnung zurückhalten können. Das Ganze hat – so seltsam es auch klingen mag – eine gute Seite, John. Wenn wir in meiner Wohnung geblieben wären, würde Mr. McNamara nun nicht mehr leben. Red Rozzo war drauf und dran, ihn umzubringen, wie ich bereits erwähnte.«
»Wenn man einmal nicht alles selber macht…«
»John, das ist nicht fair!« sagte Jane Collins ärgerlich. »Ich habe getan, was ich konnte.«
»Es war leider zu wenig.«
Auf diese Bemerkung reagierte Jane überraschend heftig. »Wer frei von Fehl, der werfe den ersten Stein!« zischte sie wütend und legte auf.
John sah den Hörer an und maulte: »Man wird doch noch was sagen dürfen.« Dann warf auch er den Hörer in die Gabel. Red Rozzo war noch von keiner Polizeistreife entdeckt worden. Da, wo er früher gemeldet war, wohnte er nicht mehr. Seine Frau, die von Polizeibeamten befragt worden war, war froh, daß sie schon seit langem nichts mehr von ihm gehört hatte. Und der Kerl bewegte sich in der Stadt mit einer Frechheit, als ob kein Fahndung nach ihm liefe. Er hätte sogar beinahe einen Mord verübt, und er hatte Tony Shamrock entführt. Tony war jetzt vermutlich da, wo sich Harry Podwil befand. Die einzige Möglichkeit, dieses Versteck zu finden, bestand für John Sinclair im Moment darin, an Hand der Verbrecherfotos jenen Mann zu identifizieren, dem er die schwarze Maske vom Gesicht gerissen hatte.
Das waren nicht gerade die besten Aussichten.
John nahm sich vor, die schwarze Kirche von Kollegen heimlich beobachten zu lassen. Früher oder später würden die Teufelsanbeter dorthin zurückkehren, vorausgesetzt, daß sie nicht Wind von der Polizeiüberwachung bekamen, und dann würde die Falle zuschnappen.
Doch bis dahin wollte der Oberinspektor nicht tatenlos herumsitzen. Rozzo hatte nun die Jungen, die Lemuri gesehen hatten, und es war nicht vorauszusehen, was der Satanspriester mit den beiden tun würde. Es stand fest, daß sich die Gefahr für Tony und Harry mit jeder Minute vergrößerte, die sie sich länger in der Gewalt der Satanssekte befanden.
John blätterte mit finsterer Miene weiter.
Plötzlich stutzte er. Er hatte das Foto bereits weggelegt, doch nun nahm er es schnell noch einmal zur Hand und betrachtete das abgebildete Gesicht eingehender. Knollige Nase, wulstige Lippen, schwarze Brauen und kleine, böse Augen. Das war der Mann!
John las die Angaben zur Person, die sich auf der Rückseite der Aufnahme befanden.
Lee Shapiro. Neunundzwanzig Jahre alt. Verkrachter Philosophiestudent. Mittelmäßiger Schriftsteller. Ledig. Verfasser obszöner Schriften. Autor eines Buches über Spiritismus und Okkultismus. Gewalttäter. Betrüger. Einbrecher. Ein Raubüberfall ging gleichfalls auf sein Konto. Und sein Vorstrafenregister war so lang wie die Bond Street.
John notierte sich die Anschrift des Mannes und verließ dann sein Büro.
»Na«, sagte Glenda Perkins. »Fündig geworden?«
»Ja. Der Bursche heißt Lee Shapiro. Ein großer Übelfinger, der nun bei einer verworfenen Satanssekte
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