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0015 - Ich starb um elf Uhr zwanzig

0015 - Ich starb um elf Uhr zwanzig

Titel: 0015 - Ich starb um elf Uhr zwanzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Werner Höber
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Beschreibung, die sie mir mitgegeben haben, bist du Joe McLean, ay?«
    Nicht eine Muskel zuckte in seinem Gesicht. Er lachte nur kurz auf, ohne ein Wort zu sagen. Ich beugte mich ein wenig zu ihm herunter und sagte: »Bevor ich mit dir rede, muß ich dir etwas zeigen. Aber das habe ich nicht bei mir.«
    Mit einem Schlage wurde sein Gesicht hart wie aus gefrorenem Schnee.
    »Ach, ich soll wohl irgendwohin mitgehen, was?«
    »Ich bin nicht so dumm, das von dir zu verlangen. Morgen um neun komme ich wieder. Morgen früh. Dann bringe ich, es mit.«
    »Was willst du mir denn zeigen?«
    »Das wirst du ja sehen.«
    »Warum hast du es nicht bei dir?«
    »Weil es nun mal Dinge gibt, die man nicht überall mit herumschleppen sollte.«
    Er nickte. Das schien er zu verstehen.
    Ich drehte mich um und ging zur Tür. Glauben Sie nicht, daß mir wohl dabei war. Ganz gleich, woiür McLean mich hielt, ich hatte ihn aufgestöbert, ich war damit für ihn gefährlich. Sechs Schritte bis zur Tür — zwölfmal Gelegenheit, ein Messer oder eine Kugel anzubringen.
    Als ich an der Tür war, rief er mir nach:
    »Nicht um neun! Morgen früh zehn!«
    »Okay«, sagte ich. Der Stein, der mir vom Herzen fiel, war so groß wie die Rocky Mountains.
    ***
    In aller Herrgottsfrühe wurde ich am nächsten Morgen geweckt. Ein Expreßböte brachte mir ein versiegeltes Päckchen, das keine Angabe über den Absender enthielt.
    Ich zog mich damit in mein Zimmer zurück und öffnete es. Es kam von Mister High und enthielt Material über das staatliche Zuchthaus in Leavenworth. Alle Achtung, in der Eile hatte sich die Zuchthausdirektion wirklich Mühe gegeben. Skizzen zur Lage der Gebäude, Photos mit Innen- und Außenansichten, Grundriß des ganzen Komplexes, Tagesplan der Zuchthäusler und der Wächter, Ablösungsplan der Wächter, Personalbeschreibungen von drei Dutzend Leuten, die ich kennen mußte, wenn ich selbst in Leavenworth gesessen haben wollte und vieles mehr.
    Ich sah auf die Uhr. Es war neun Minuten nach fünf. Okay. Ich steckte den Kopf in die Waschschüssel, rieb mich trocken und warf mich angezogen aufs Bett. Vier Stunden lang studierte ich Leavenworth.
    Um neun Uhr mußte ich an die etwas pietätlose Szene denken, die sich jetzt im FBI-Distriktsgebäude abspielen würde. Aber wenn man hinter Mördern und Bestien her jagt, kann man es nicht immer mit weißen Handschuhen.
    Phil erzählte mir später, wie es vor sich ging.
    Um neun Uhr wurden die beiden Flügeltüren zu dem kleinen Sitzungssaal geöffnet. Die Presse von New York stürmte diesmal nicht hinein, sondern ging langsam und mit würdigen Gesichtern. Hinten auf dem Podium war der Sarg aufgebahrt. Mein wächsernes Antlitz sah aus dem Meer von Blumen heraus, mit dem sie die weißen Decken dekoriert hatten. Bis nachmittags dreizehn Uhr wurde der imitierte Leichnam zur Schau gestellt. Und die immer neugierigen New Yorker kamen und defilierten in Scharen an meinem Sarg vorbei. Nur wußten sie nicht, daß zwischen den Blumen und Sträußen und Kränzen drei Kameras unentwegt jedes Gesicht fotografierten, das an meiner Leiche vorbeizog. Vor allem wußte es ein Mann nicht, der es sich aber hätte denken müssen: der seit Jahren gesuchte Boß der Überfälle auf die States Union Bank. Der Mann kam, um seinen Triumph auszukosten. Vielleicht auch nur, um sich zu überzeugen, daß es seinen Leuten tatsächlich gelungen war, mich auszuschalten. Aber eben das hätte er nicht tun dürfen, denn es brachte Phil auf den richtigen Gedanken und ihn und mich in ziemliche Schwierigkeiten. Aber ich will nicht vorgreifen.
    Die Lage spitzte sich zu, ohne daß es mir zuerst bewußt wurde. Ich traf um zehn Uhr vormittags wieder mit McLean zusammen. Ich zeigte' ihm meine Entlassungspapiere von Leavenworth. Sein Mißtrauen verschwand. Als er mich über einige Einzelheiten gefragt und ich ihm genügend Antwort gegeben hatte, taute er endlich auf.
    Er bestellte mich für abends elf Uhr mit der Bemerkung, ich sollte eine Waffe mitbringen. Es w'ürde ernst.
    ***
    Ich unterhielt keinerlei Verbindung mit dem FBI. Nur die verabredeten Anrufe tätigte ich. Ich war meiner Sache absolut sicher und bestellte ein Aufgebot von FBI-Leuten für die States Union Bank. Allerdings mußten sich die Leute so in den benachbarten Hauseingängen verstecken, daß man sie von der Straße aus nicht sehen konnte.
    Um elf Uhr abends ging es los. Joe hatte mich wieder zu Harpies Kneipe bestellt. Sie war der Treffpunkt der Bande. Durch einen

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