0016 - Das Mädchen von Atlantis
auf…« Die Frau röchelte. »Geben Sie mir etwas zu trinken, bitte…«
Der Arzt hatte schon ein Glas Wasser parat. Strafend sah er mich an. Er setzte das Glas der Schwerverletzten an die Lippen.
Sie trank langsam. Dann schloß sie den Mund.
»Griechenland«, flüsterte sie. »In Athen. Sie sind nach Athen geflogen. Privatmaschine. Und von dort fahren sie zu der Insel.«
»Wie heißt die Insel?«
»Delos. Niemand hat sie auf irgend einer Karte eingezeichnet. Es gibt sie offiziell gar nicht. Und doch ist sie da. Ein Boot – es bringt sie rüber. In – in – Athen gibt es einen Mann. Er heißt Kiriakis. Ihn müssen Sie fragen.«
»Was haben Azarin und seine Gehilfinnen auf der Insel vor? Sagen Sie mir das noch!«
»Die Statuen. Sie wollen zu den Statuen. Man muß sie zum Leben erwecken. Es sind ehemalige Bürger von Atlantis.«
»Wie sind sie zu dem geworden?« wollte ich wissen.
Die Frau atmete schwer. »Ich habe keine Ahnung. Ich glaube, es waren Magierinnen. Wenn sie aus ihrem Schlaf erweckt werden, kann Atlantis wieder das werden, was es schon einmal war. Aber dieses Erwecken ist sehr kompliziert. Es müssen Beschwörungen durchgeführt und bestimmte Gesetze eingehalten werden. Erst dann wird es gelingen, Atlantis…« Sie stöhnte auf. Ich sah in ihre Augen und entdeckte darin den fiebrigen Glanz.
Oder war es bereits der Schleier des Todes, der die Pupillen überzogen hatte?
»Lassen Sie die Verletzte in Ruhe«, sagte der Arzt. »Sie sehen doch, sie schafft es nicht mehr.«
»Doch«, flüsterte Marga. »Ich schaffe es noch. Kommen Sie näher, Sinclair, ich – ich – will Ihnen noch etwas sagen.«
Ich legte mein Ohr dicht an ihre Lippen. »Die Magierinnen waren nicht schlecht. Als der Schwarze Tod kam, hat er sie auf seine Seite gezogen. Vorher dienten sie der Weißen Magie.«
Ich hatte noch zahlreiche Fragen auf dem Herzen. Vor allen Dingen interessierte mich Jane Collins’ Schicksal. Ich wollte wissen, was die anderen mit ihr vorhatten. Ich fragte nach Jane.
Mit der Antwort, die ich erhielt, hatte ich zwar gerechnet, trotzdem traf sie mich hart. »Man wird sie töten!«
»Warum?« Ich schrie das Wort fast. »Sie hat niemandem etwas getan!«
»Wenn Sie als Untote wiederaufersteht, könnte die Beschwörung vielleicht noch gelingen. Azarin brauchte ein viertes Mädchen. Colette ist ja nicht mehr da.«
»Gibt es noch eine Chance, sie zu retten?« fragte ich. »Sagen Sie es mir. Welche Gegenbeschwörung muß ich anstellen, um ans Ziel zu gelangen?«
»Davon verstehe ich nichts«, gab sie flüsternd zurück. »Nur Azarin weiß es.«
»Was ist Azarin für ein Mensch? Oder ist er ein Dämon? Fließt auch in ihm das Blut der alten Rasse?«
»Nein. Aber er ist Mensch und Teufel gleichzeitig. Sie sollten sich vorsehen, Sinclair. Azarin ist sehr gefährlich. Und fragen Sie Kiriakis. Er kennt vielleicht…« Sie bäumte sich auf und verstummte. »Es brennt so!« brüllte Marga dann. »Ich…«
Doc Hanson zog mich an der Schulter zurück. »Jetzt ist Schluß, verdammt!« zischt er mir ins Ohr. »Sie haben die Frau zu Tode gequält.«
Ich machte den Platz frei, öffnete die Tür und sprang nach draußen. Am liebsten hätte ich mich in ein Bett gelegt, doch ich wußte, daß dies nicht ging.
Überall am Körper spürte ich Schmerzen. Ich hatte das Gefühl, mit zahlreichen Reibbürsten bearbeitet worden zu sein. Alles brannte und stach.
Die Löscharbeiten waren noch im Gange. Drei Feuerwehrwagen waren vorgefahren. Aus sechs Schläuchen spritzte der Schaum durch die Fenster. Dort schlugen bereits keine Flammen mehr heraus, sondern dichte, schwarzgraue Rauchwolken. Die Männer von der Brandbekämpfung hatten ein Übergreifen des Feuers verhindert.
Doc Hanson verließ ebenfalls den Krankenwagen. Er blieb neben mir stehen. »Sie ist tot«, sagte er, ohne mich anzuschauen.
»Geben Sie mir die Schuld?«
»Nein. Sie haben ja alles versucht. Sie hat es mir in den letzten Sekunden ihres Lebens noch gesagt. Tut mir leid, wie ich vorhin reagiert habe.«
»Vergessen, Doc.«
»Hat die Frau Sie denn weitergebracht? Ich habe Teile des Dialogs gehört. Worum geht es eigentlich?«
Ich lächelte mager. »Ihnen das jetzt zu erklären würde eine Menge kostbare Zeit in Anspruch nehmen. Außerdem würden sie mir nicht glauben.«
»Sie haben von Atlantis gesprochen?« Der Arzt ließ nicht locker.
Ein Konstabler rettete mich vor einer Brüskierung des Arztes. Der gute Mann kam auf uns zugelaufen und winkte mit
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